Persönlichkeiten der Weinkultur deutscher Sprache und Herkunft
Die Gesellschaft für Geschichte des Weines hat sich mit ihren Kurz-Biographien von Persönlichkeiten der Weinkultur zum Ziel gesetzt, Lebensleistungen von verstorbenen Menschen zu würdigen, die die deutsche Weinkultur, beginnend beim Anbau über die Kellerwirtschaft bis zum Weinabsatz, in der Literatur, in der Kunst und in anderen Kulturbereichen, in besonderer Weise geprägt haben. Nicht bunt, nicht dick aufgetragen, ein zum Nachdenken anregender Aufruf gegen das Vergessen von Pionieren, die mit ihren Ideen, Leistungen, Innovationen all das erst möglich gemacht haben, auf dem die heutige Generation aufbauen kann.
Die Biographie "Persönlichkeiten der Weinkultur deutscher Sprache und Herkunft" wurde vor vielen Jahren vom ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft, Professor Paul Claus, ins Leben gerufen. Sie wurde seitdem von über 80 Mitarbeitern immer weiter ausgebaut. Erstmals wurden die erstellten Biographien in der Schrift Nr. 100 im Jahr 1991 zusammengefasst. Bis zur zweiten Ausgabe, Schrift Nr. 140 aus dem Jahr 2002, stieg die Zahl der beschriebenen Persönlichkeiten von 350 auf über 450 an. Inzwischen werden rund 580 Biographien auf unserer Webseite den Mitgliedern der Gesellschaft und allen Weinkultur-Interessierten nahe gebracht. Die Biographien werden laufend ergänzt.
In den letzten Wochen haben wir eine größere Anzahl neuer Biographien eingestellt: Sie kommen aus dem gesamten Spektrum der Weinbranche und Weinkultur: Wissenschaftler, Weinbaulehrer, Weingutsbesitzer und Weinkaufleute, Mediziner und Apotheker, Autoren, Vertreter des Berufsstandes, Politik und Verwaltung. In ihren Lebensläufen spiegeln sich nicht nur die Entwicklungen, Herausforderungen und Fortschritte in der Weinbranche, sondern auch branchenübergreifende Themen der deutschen und europäischen Geschichte: der enorme technische Fortschritt, der soziale Wandel, die Verfolgung von Juden in Deutschland, der Wandel von „normalen“ Vorzeige-Bürgern zu Anhängern des Nationalsozialismus. Sie erinnern uns an den Einfluss von politischen und wirtschaftlichen Katastrophen, insbesondere der Kriege, auf Lebensläufe und Schicksale ganzer Generationen. Das Engagement dieser Persönlichkeiten zeigt auch, welche Faszination der Wein auslösen kann, eine Inspiration für Kreativität, Erfolg und Lebensfreude für Kulturschaffende und Kulturgenießer.
Wir wollen mit folgenden kurzen Hinweisen den Lesern Lust machen, die neuen Biographien auf unserer Webseite nachzulesen:
Jehan/Johann Bauhin (1541-1612), Arzt, Botaniker und Balneologe, war ein Vorläufer der modernen Ampelographen. Seine Rebsortenbeschreibungen können als die frühesten für den Neckarraum gelten.
Erwin Baur (1875-1933), deutscher Arzt, Botaniker, Genetiker und Züchtungsforscher, war einer der bedeutendsten deutschen Pflanzenzüchter. Seine Rolle in der Eugenik und seine Nähe zu dem nationalsozialistischen Gedankengut geben Anlass für eine kritische Betrachtung seines Lebenswerks.
Otto Beck (1818-1875), preußischer Regierungsrat in Trier, schrieb unter anderem ein heute noch lesenswertes Buch über den Weinbau an der Mosel und war entscheidend an der Gründung des Deutschen Weinbauvereins im Jahr 1874 in Trier beteiligt.
Georg Bernhard Bilfinger (1693-1750), Theologe, Philosoph, Mathematiker und Festungsingenieur, prägte die württembergische Weinkultur und trug zur Verbreitung einer Vielzahl von Rebsorten in ganz Südwestdeutschland bei.
Franz Joseph Bresgen (1815-1895), Jurist und Gutsbesitzer an der Ahr, setzte sich als Mitglied im preußischen Landtag und in der Frankfurter Nationalversammlung (1848) für die Winzer ein.
Peter Carstensen (1877-1954) war ein Weinbauwanderlehrer am Mittelrhein, später Weinbaudirektor in Bacharach, zudem war er wesentliche Triebkraft des mittelrheinischen Weinbauvereins.
Wilhelm Ganzhorn (1818-1880) – Oberamtsrichter, Dichter, Altertumsforscher, Weinliebhaber. Er war nicht nur ein erfolgreicher Hobbywinzer, nicht nur Dichter des Liedes „Im schönsten Wiesengrunde“, sondern verstand es auch, mit humorigen weinkulturellen Ideen Freude am Wein zu vermitteln und zu teilen.
Karl Wilhelm Göriz (1802-1853) – Agrarwissenschaftler, Professor für Landwirtschaft. Er war ein Vordenker für die erste Weinbauschule in Deutschland, ein Promoter für den Rieslinganbau in Württemberg.
Karl Philipp Graff (1793-1853), geboren am Mittelrhein, Arzt in Trarbach, sang das Hohe Lied des Moselweins als Genussmittel für Gesunde und als Heilmittel für Kranke.
Helmut Hahn (1921-2008), geboren in Boppard, ein weltweit agierender Wirtschaftsgeograph, Professor in Bonn, führte Studien über die Konsequenzen von Flurbereinigungen am oberen Mittelrhein auf die Sozial- und Wirtschaftsstrukturen sowie auf den Tourismus durch.
Medard Hartrath (1858-1928), Apotheker und Weingutsbesitzer, war eine angesehene Weinpersönlichkeit, bei dem sich sogar Reichsstaatssekretär Erzberger anlässlich der Waffenstillstandsverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg Rat einholte.
Franz Xaver Wilhelm Ritter von Hlubek (1802-1880), ein österreichischer Agronom, stand mit seiner Theorie der Bodenfruchtbarkeit zwischen der Humustheorie von Jean-Henri Hassenfratz und Albrecht Thaer und der Mineraltheorie von Justus Liebig.
Johannes Hörter (1779-1843) zählte zu den spannendsten und geheimnisvollsten Persönlichkeiten der Weinkultur im 19. Jahrhundert, Weingutsbesitzer, Weinvisionär Weinautor, Bürgermeister von Oberwesel.
Julius Kayser (1869-1932), erfolgreicher Weinkaufmann, Kultur- und Kunstliebhaber, baute in Trarbach eine prachtvolle Weinkellerei im Jugendstil.
Die Lebensgeschichten von Siegmund Loeb (1859-1950) und seinem Sohn Otto Loeb (1898-1974) sowie von Fritz Natt (1894-1963) erinnern an die Bedeutung jüdischer Weinhändler für die deutsche Weinwirtschaft, an ihre sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leistungen in Deutschland sowie an ihre abscheuliche Verfolgung durch die Nazis.
Die deutsche Weingeschichte kennt viele bedeutende Apotheker und Weinchemiker, die sich um die Weinkultur verdient gemacht haben. Zu ihnen zählte auch Franz Mallmann (1861- 1941) aus Traben-Trarbach.
Fritz Melsheimer (1887-1967), Weingutsbesitzer aus Siebenborn (Mosel), zählte zu den Persönlichkeiten, die sowohl im Berufsstand als auch in der Politik Verantwortung übernahmen und Außergewöhnliches leisteten.
Franz Meurer (1807-1867), Kreisphysiker in Zell, schrieb einen Bestseller über die ausgezeichneten gesundheitsfördernden Eigenschaften der Mosel- und Saarweine bei Gesunden und ihre heilkräftigen Wirkungen bei Kranken.
Franz Ludwig Nießen (1780 -1860), erfolgreicher Weinhändler in Mülheim (Mosel), ging in die Weingeschichte ein, da er durch eine Sühnezahlung von 3000 Talern an Kaiser Napoleon seine Heimatstadt vor der Zerstörung bewahrte.
Franz Popp (1875-1954), ein Tausendsassa und Ideengeber für die Weinbranche an der Mosel, Mitbegründer des Weinbauvereins Mosel-Saar- Ruwer und dessen langjähriger Geschäftsführer.
Friedrich Priesterroth (1895-1980), ein Urgestein des mittelrheinischen Weinbaus, ausgestattet mit rheinischem Humor: „Hast du Kummer, hast du Not – trink ´ne Flasche Priesterroth“.
Herbert Reh (1930-2016) war ein erfolgreicher Weinhandelsunternehmer und ein führender Vertreter der Weinbranche. Er genoss ein hohes Ansehen als Marktkenner, Ratgeber und Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Brancheninteressen.