Gunthild Peters:
Zwei Gulden vom Fuder: Mathematik der Fassmessung und praktisches Visierwissen im 15. Jahrhundert.

Zwei Gulden vom Fuder: Mathematik der Fassmessung und praktisches Visierwissen im 15. Jahrhundert

Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018.
344 Seiten mit zahlreichen s/w Fotos.
ISBN 978-3-515-12052-4. EUR 61,-


In einem Lobgedicht aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert lobt der Nürnberger Meistersänger Kunz Haß die meisterliche Fassmessung auf dem Weinmarkt von Nürnberg. Damit dürfte aber das Visierwissen und die Abfassung der Visiertexte schon mehr als 100 Jahre älter sein. Einen der wohl frühesten schriftlichen Nachweise für einen Text über Visierruten hat die Autorin in einem Bibliothekskatalog des Klosters St. Emmeran (Regensburg) aus dem Jahr 1347 gefunden. In Kapitel 2 ihres Buches, in dem sie den Forschungsstand zu Texten, Spezialisten und Messinstrumenten ausführlich beschreibt, stellt sie fest, dass mit Beginn des 15. Jahrhunderts eine intensive Phase der Textproduktion einsetzt. In den beiden nächsten Kapiteln stellt sie eine Sammlung von Visiertexten sowie die Herstellung der Visierruten vor.
Eine umfangreiche Darstellung der mathematischen Grundlagen zur Messung des Fassinhalts und der Herstellung der Visierruten folgt in Kapitel 5. Hierbei stellt Peters fest, dass die Visiertextsammlungen stark von euklidischer Geometrie geprägt sind. Den Skalen der Visierstäbe liegt die Idee von der Näherung eines Fasses durch einen Zylinder und Kegelstumpf zugrunde.
Erst im 6. Kapitel beschreibt die Autorin die Bedeutung der Visierer für die Stadt Nürnberg. Im mittelalterlichen Weinhandel war die Frage der Messung des Fassinhalts von eminenter Bedeutung und dies nicht nur für Käufer und Verkäufer, sondern vor allem auch für die Städte. Sie erhoben die Weinsteuer nach dem Fassinhalt, damals Weinungeld genannt, die eine der wichtigsten Einnahmequellen darstellte und für viele Städte daher unverzichtbar war. Fässer waren im späten Mittelalter eines der häufigsten gebrauchten Gefäße für Waren aller Art; von Wein und Bier über Getreide transportierten Händler darin ihre Produkte über weite Strecken. Da die handgefertigten Fässer nicht normiert waren, erfanden darauf spezialisierte Mathematiker einfach zu bedienende Messstäbe, die Visierruten, mit denen sich der Fassinhalt problemlos, schnell und ziemlich genau bestimmen ließ. Peters rekonstruiert die Herstellungsanweisungen und stellt am Beispiel Nürnbergs die Spezialisten für Fassmessung, die Visierer, vor.
Die beruflichen Hintergründe der Visierer lagen meist nicht im Weinhandel. Die Stadt Nürnberg beschäftigte ganz unterschiedliche Handwerker als Visierer. Die Anwärter mussten sich nur die nötigen Kenntnisse zum Beispiel bei einem aktiven Visierer oder einem Rechenmeister erwerben. Nach einer Visierprobe folgte seit dem 15. Jahrhundert die Ernennung zum Visierer.
In Kapitel 7 rekonstruiert die Autorin die den in Kapitel 3 wiedergegebenen Handschriften zugrunde liegenden Textzeugen aus Paris und Perugia. Diese lassen Rückschlüsse zu, welche Personenkreise mit der Form des Visierwesens zu tun hatten und welchen Weg die Handschriften genommen haben.
In einem aus drei Kapiteln bestehenden umfangreichen Anhang erläutert sie in Kapitel 1 die Detailkonstruktionen der Visierruten aus der im Buchtext dargestellten Visiertextsammlung. Für die verschiedenen Visierruten beschreibt sie deren zugrunde liegende Messmethoden und Konzepte.
Kapitel 2 ist dem Verzeichnis der Visierer in Nürnberg vorbehalten und Kapitel 3 enthält eine sehr umfangreiche Wiedergabe der lateinischen Texte der Visiersammlung, die auf den beiden Handschriften Perugia und Paris beruhen.
Dieses Buch gibt interessante und wertvolle Einblicke in die Materie des Visierens und ist daher empfehlenswert.

Verfasser: Dr. Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Aus: Mitteilung der GGW 1/2019

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