Knut Bergmann:
Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Insel Verlag, Berlin 2018. 366 Seiten.
ISBN 978-3-458-17771-5. EUR 32,90
Anders als bei der großen Weinbaunation Frankreich, wo bei staatlichen Repräsentationen generell besonderer Wert auf Wein und Cuisine française gelegt wurde und – nachdem letztere seit 2010 sogar zum Weltkulturerbe zählt – auch in Gegenwart und Zukunft gelegt wird, sieht es in Deutschland bei Staatsempfängen etwas anders aus. Besonders in der Vergangenheit wurde mit deutschen Weinen manchmal gegeizt, oftmals wurde auf ausländische, besonders französische Provenienzen zurückgegriffen.
Wer könnte uns kompetenter auf die Frage der Weinpräsentation sowie die Kombination von Essen und Wein bei Staatsempfängen eine Antwort geben und die Entwicklung seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, seit dessen erstem Bundespräsidenten Theodor Heuss darstellen als der Autor dieses Buches, Knut Bergmann, der unter mehreren Bundespräsidenten „gedient“ hat. Er selbst führt aus, dass „der Wein und darüber hinaus das Essen samt der Tischkultur wie das Zeremoniell einen Teil der Kulturgeschichte unseres Landes widerspiegeln“.
Bergmann beginnt seine Ausführungen mit der Darstellung in der Antike, indem er belegt, dass der zeremonielle Gebrauch des Weines etwas über die Selbstdarstellung der Herrschenden aussagt und schon dort als Statussymbol diente. Die jeweils regierende Persönlichkeit war für Stil, Auswahl und gesamtes Ambiente bei Einladungen und Empfängen ausschlaggebend.
Nicht anders beschreibt es der Autor auch für die Zeit vor und nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Bismarck beispielsweise handelte nach dem Prinzip „Deutscher Wein ist doch mein bester Botschafter“ und kredenzte seinen Staatsgästen die besten Weine. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert fehlte auf keinem Empfang deutscher Wein. Deutscher Wein genoss während dieser Zeit ein hervorragendes Ansehen in der gesamten Welt, zumindest betrifft dies die Weißweine und hier insbesondere die Riesling-Weine.
Die nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland bei Staatsempfängen von den Bundespräsidenten und Bundeskanzlern kredenzten Weine ließen anhand der Auswahl der Weine die Wertschätzung des Produkts erkennen. So liebte der erste Bundespräsident Theodor Heuss geradezu Wein und trank ihn in Maßen zu fast allen Gelegenheiten; seine schwäbische Abstammung und seine Bescheidenheit veranlassten ihn jedoch, eher zum preiswerteren Trinkwein, zum Lemberger, statt zu den opulenten Auslesen und noch höheren Qualitäten zu greifen. Und dies galt auch für Staatsempfänge. Anders hingegen handelte der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer. Er vertrat zwar auch die Auffassung, dass „wir uns Zurückhaltung auferlegen müssen“, doch gleichzeitig strebte er wieder das Ziel der „Großmacht“ an und handelte bei Empfängen nach diesem Motto „wieder aufzutreten wie eine Großmacht“. Oftmals legte er daher selbst Hand an bei der Auswahl der für die ausländischen Gäste zu kredenzenden Weine, die nicht selten bis zur absoluten Spitze einer Trockenbeerenauslese reichten.
Für jeden der nachfolgenden Bundespräsidenten und Bundeskanzler werden Vorlieben, werden vor allem die vinophilen Stärken und Schwächen herausgearbeitet und vorgestellt. Interessant und mit viel Hintergrundwissen angereichert wird auch die Öffnung zum Osten dargestellt. Die jüngere Vergangenheit gleitet dem Leser beim Lesen der Seiten vor dem geistigen Auge vorbei. Man erinnert sich noch gerne zurück, wenn man die der Öffentlichkeit nicht immer bekannten Anekdoten von den verschiedenen Persönlichkeiten liest.
Das Buch mit seinem gut gegliederten Inhalt und der verständlichen Sprache macht Freude beim Lesen, lässt viele Erinnerungen aufleben und ist sehr zu empfehlen.
Verfasser: Dr. Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Aus: Mitteilung der GGW 2/2018