Jens Baumeister:
Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte. Ein Philosoph als Streiter für die Moselwinzer.
2. Auflage, The Kottabos, Trier 2018. 219 Seiten.
ISBN 978-3-00-056471-0. EUR 14,90
Viele Jahrzehnte fristete der vor 200 Jahren in Trier geborene Karl Marx in Deutschland und sogar in seiner Geburtsstadt ein Schattendasein. Als „Klassenfeind“ und Begründer des Kommunismus wurde er totgeschwiegen. Alleinstellungsmerkmale der Region und der Stadt Trier waren bis in die jüngste Vergangenheit die Römer und der Riesling. Erst mit der Vorbereitung auf das Geburts-Jubiläum gelangte Marx stärker in den Fokus der regionalen und überregionalen Öffentlichkeit.
Der Kunsthistoriker, Weindozent und Stadtführer Jens Baumeister hat in seinem hier vorliegenden Buch ein Bild von Karl Marx gemalt, wie es viele nicht kennen. Dem Gros der Deutschen ist mehr oder weniger sein Lebenswerk „Das Kapital“ bekannt, nicht aber, wie es dazu kam, welche Entwicklungen sich im Leben eines Karl Marx abspielten, was seine Persönlichkeit und seine Ideen beeinflusst haben.
Der Titel des Buches hier lässt schon darauf schließen, dass der Weinbau und der Wein Karl Marx nicht fremd waren. Marx wurde sozusagen der Wein in die Wiege gelegt. Seine vermögenden Eltern besaßen Weinberge in renommierten Mosellagen und der heranwachsende Marx war dem Wein sehr zugetan. Hautnah erlebte er aber auch die tiefen Krisen im Weinbau der Mosel des 19. Jahrhunderts. Neben niedrigen Erträgen und Missernten sorgte die Berliner Regierung mit ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik für die Abschaffung der innerdeutschen Zölle. Ohne Schonfrist wurde der preußische Markt mit billigen Weinen aus Rheinhessen und der Pfalz überschwemmt mit der Folge, dass die Moselwinzer für ihre Weine keine Abnehmer fanden. Absatzeinbrüche führten zu Preisstürzen, Verschuldung, Zwangsversteigerungen und schließlich zu Hungersnöten und Auswanderungswellen sowie zur 1848er Revolution in Trier. Die ursprünglich vom Welthandel abgeschottete Moselregion wurde von der Globalisierung heimgesucht.
Karl Marx wurde in diese aufregende Zeit der Umbrüche hineingeboren. Früh wurde er zum kritischen Beobachter dieser Krise. Als Marx 1842 Chefredakteur der Rheinischen Zeitung in Köln wurde, flossen diese Erlebnisse und Kenntnisse aus erster Hand in seine Artikel über Winzernot ein. Der Philosoph Marx wurde jetzt zum aktiven Streiter für die Moselwinzer und bekam dadurch den ersten Anstoß zur Beschäftigung mit seinem späteren Lebensthema, der Nationalökonomie.
Nicht nur dieses Thema führten Karl Marx und Friedrich Engels ihr gesamtes Leben zusammen; es war auch die Liebe zum Wein, die beide zu Weinfreunden werden ließ. Der betuchte Engels versorgte Marx und seine Familie zeitlebens mit Wein.
Baumeister hat in seinem Buch über Marx den Menschen Marx mit all seinen Stärken und Schwächen nachgezeichnet. Wie er selbst schreibt, hat er einem populärwissenschaftlichen Buch den Vorzug vor einem wissenschaftlich fundierten gegeben. Er hat bewusst auf Zitate und Literaturliste verzichtet, was andererseits aber auch als Mangel verstanden werden kann von all denen, die sich etwas intensiver mit der Materie beschäftigen wollen.
Das Buch von Jens Baumeister wagt den Spagat, die Moselwein-Geschichte des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang mit Marx’ wissenschaftlichem Werk unterhaltsam und spannend zu erzählen. Allen Marx- und Weinfreunden ist es sehr zu empfehlen.
Verfasser: Dr. Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Aus: Mitteilung der GGW 2/2018