Sigrid Hirbodian, Tjark Wegner (Hrsg.):
Wein in Württemberg.
Tübinger Vorträge zur Landesgeschichte (Landeskundig, Band 3).
Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2017. 270 Seiten.
ISBN 978-3-7995-2072-0. EUR 16,95
Die Tübinger Vortragsreihe zur Landesgeschichte im Rahmen einer interdisziplinären Studium-Generale-Reihe griff im Jahre 2016 das immer aktuelle Thema „Wein in Württemberg“ auf. Die Einzelvorträge geben den aktuellen Stand der Forschung zu ihren jeweiligen Themen wieder und vermitteln die Erkenntnisse in gut lesbarer und verständlicher Form.
Wein und seine Reben prägen bis heute die Täler des Neckars und seiner Nebenflüsse. Der arbeitsintensive Weinbau war und ist für die Entwicklung in Teilen Württembergs von zentraler Bedeutung. Denn der Wein prägte in Gebieten, in denen ein großflächiger Anbau vorherrschte, nicht nur die Landschaft, sondern auch die Wirtschaft, Kultur und Sprache, ja das Leben der dortigen Bevölkerung. Daher gehen in diesem Buch nicht nur Historiker, sondern auch ein Sprach- und ein Literaturwissenschaftler sowie ein bekannter Winzer zentralen Fragen zum württembergischen Weinbau von der Zeit der Alemannen bis heute nach. Mit verschiedenen thematischen, geographischen und zeitlichen Schwerpunkten zeichnen sie das vielfältige und interessante Bild der Geschichte des Weinbaus in Württemberg.
Die Anfänge des alemannischen und württembergischen Weinbaus liegen nach Thomas Kohl im Dunkeln. Erste konkrete Belege für Weinbau am Flusslauf oberhalb von Stuttgart gibt es wohl erst im hohen Mittelalter, wobei das Wissen über den frühmittelalterlichen Weinbau in hohem Maße aus Klöstern oder Kirchen kam. Sie förderten den Weinbau, waren jedoch nicht entscheidend für dessen Einführung; Wein wurde offenbar angebaut, bevor Klöster gegründet wurden.
Christian Jörg berichtet über die großen Probleme des Rebanbaus während der klimatischen Wandlungsvorgänge und Extremphasen des Spätmittelalters. Die Krisen waren vielfältig und wurden durch ein komplexes Geflecht natürlicher und anthropogener Faktoren beeinflusst. Nach einer etwa 200-jährigen Expansionsphase im Hochmittelalter setzte die extreme Kaltphase des Spörer-Minimums seit 1430 ein und führte zu einer beachtlichen Dezimierung des Rebanbaus. Im Norden und Nordosten kam es zu einem teilweisen oder sogar vollständigen Erliegen des Weinbaus.
Christine Krämer greift mit „Wir wollten auch zimlich Malvasier machen. Weinbau und Weinkultur in Württemberg des 16. Jahrhunderts“ das im Luther-Gedenkjahr hochaktuelle Thema der Weinvorliebe Luthers auf. Luther bevorzugte den Malvasier, im Spätmittelalter Inbegriff edler und teurer Weine. Dieser wurde von venezianischen Kaufleuten als Süßwein aus dem südlichen Mittelmeerraum importiert und in ganz Europa verkauft. Doch Jeremias Held, Pfarrer im 16. Jahrhundert in Flein, war der Meinung, „man könne hierzulande ebenso guten Malvasier aus der Muskatellerrebe erzeugen, wenn man eine besondere Methode anwenden würde und die Trauben wie eine Spätlese lange am Stock hängen oder sie gar nach der Lese antrocknen lasse und sie dann erst pressen würde, um einen starken Wein mit besonders hohem Zuckergehalt zu gewinnen.“
Trinken und Trinkbräuche in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert am Beispiel „Herrenberg“ behandelt Oliver Auge. Er geht in seinem Beitrag unter anderem der Frage nach, was getrunken wurde. „Johannes Boemus vermeldete um 1520, dass Wasser und Molken die Getränke der Bauern seien“. Es ist sicher, dass Bauern auch Met, Bier oder vergorene Fruchtsäfte tranken, insbesondere Apfel- und Birnenmost, letzteres „Nationalgetränk“ im süddeutschen Raum. In Gebieten mit Weinbau kam auch sicherlich reichlich Wein aus dem Eigenbau auf den Tisch. Der Autor gibt auch Antworten auf die Fragen: wann, wie und wie viel getrunken wurde sowie auf Strafen bei übermäßigem Genuss.
Rudolf Steffens geht dem Thema „Wein und Weinbau im Spiegel der Sprache“ nach, wobei er zunächst verschiedene Einzelpublikationen zum Komplex „Wein und Sprache“ vorstellt. Der Südwesten des deutschen Sprachgebiets steht dabei im Mittelpunkt. Der Darstellung des „Atlaswerks zur Winzersprache“ folgen knappe Ausführungen zu Wörterbüchern, die den dialektischen und historischen Weinwortschatz zum Gegenstand haben. Der Vollständigkeit halber sollen fünf weitere interessante Beiträge zum „Weinbau am Tübinger Spitzberg im Mittelalter“ (Mark Mersiowsky), „Weinbau im Königreich Württemberg“ (Eberhard Fritz), „Weinbau am oberen Neckar“ (Franz Quartal) und „Ludwig Uhland als Weintrinker und als Weindichter“ (Stefan Knödler) erwähnt werden. Der Abschlussbeitrag von Graf Adelmann „Qualitätsstrategien im Weinbau heute“ bildet die Brücke zum gegenwärtigen württembergischen Weinbau, der in der Breite von einem hohen Qualitätsniveau gekennzeichnet ist.
Verfasser: Dr. Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Aus: Mitteilung der GGW 3/2017