Katarina Sieh-Burens:
Korkenzieher im Gepäck. Deutscher Wein – von Adenauer bis Victoria.
Rhein-Mosel-Verlag, Zell (Mosel) 2017. 199 Seiten.
ISBN 978-3-89801-090-0. EUR 19,80
Die Autorin, promovierte Historikerin und Mitglied der Gesellschaft für Geschichte des Weines, geht der Lebensweise von sieben bekannten Persönlichkeiten des 18. bis 20. Jahrhunderts nach und ergründet deren Kontakt und Umgang mit Wein. Dabei fand sie im Rahmen ihrer Recherchen feine und tiefgründige Zusammenhänge und Vorlieben. So beschreibt sie die diversen Weinanlagen im Potsdamer Prachtschloss Sanssouci von Friedrich dem Großen (1712–1786), wo die Weinreben frei auf Terrassen und in raffinierten Konstruktionen hinter Glaswänden als Talut-Erziehung standen, um Tafeltrauben zeitig auf den Tisch zu bringen. Sein persönliches Weinspektrum umfasste vorwiegend süße Weißweine, sein Weinbestand hatte einmal 3.895 Flaschen umfasst. Wie der spätere amerikanische Präsident Thomas Jefferson (1743–1826) zum europäischen Weingenießer wurde, ist im vorliegenden Buche nachlesbar. Er war als US-Handelsbevollmächtigter und Botschafter ab 1784 in Paris tätig, von wo er auch eine Fahrt nach Deutschland an Rhein, Main und Mosel unternahm, bei der er bewusst auch mit dem Weinanbau und dem Wein in Kontakt kam, was er in ausführlichen Berichten festhielt. So fasste er seine bisherigen Weinkenntnisse in den fünf Klassen süß, sauer, trocken, samtig und herb zusammen. Sein Aufenthalt in Frankfurt am Main führte ihn auch nach Hochheim und im Rheingau nach Rüdesheim und Johannisberg, deren Geschichte, Lage und Rebflächen er detailliert beschrieb. Dies ergab sich auch auf seiner Reise Richtung Straßburg, wo er das rheinhessische Anbaugebiet passierte und skizzierte sowie Weine verkostet hat. In Heidelberg bewunderte er das berühmte Heidelberger Fass, dessen Maße er genau festhielt. Obwohl über das Schloss Johannisberg und Clemens Wenzeslaus Lothar von Metternich-Winneburg (1773–1859) schon viel geschrieben wurde, liest sich das Kapitel dieser Persönlichkeit und dieser Örtlichkeit mit besonderem Genuss, sind sie doch Inbegriffe des Weinbaus und des Weines geworden und heute noch einen Besuch wert. Und wer kennt schon das Königin-Viktoria-Denkmal im Hochheimer Weinberg, das 1854 anlässlich des 35. Geburtstages der englischen Königin Victoria (1819–1901) enthüllt wurde. Ausgangspunkt war ihre Deutschlandreise 1845 im Rahmen des 25. Geburtstages ihres Gemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, wobei nebenbei die Weinlandschaft an Rhein und Main besucht wurde und Hochheim mit dessen Hock-Weinen besondere Beachtung fand. Wie der erste deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898) zu Wein und anderen geistigen Getränken stand, lässt sich allein an den reichhaltigen Präsenten zu seinem 80. Geburtstag 1895 ermessen, die im Ruhesitz Friedrichsruh im Sachsenwald eintrafen. Aber auch schon während seiner Regierungszeit nutzte er jede Gelegenheit, auf Reisen den Wein vor Ort zu verkosten, wie z. B. im Jahr 1871 in Kreuznach. Fürst Bismarck diente wegen seines Bekanntheitsgrades und seiner bekannten Trinkfestigkeit vielen Wein- und Sektfirmen auch als Werbeträger und gerade am Rhein und Main schien er sich besonders wohl zu fühlen. Als Botschafter im russischen Petersburg ließ er sich kistenweise unter anderem Rüdesheimer und Assmannshäuser Wein liefern, aber auch Markgräfler und Mosel-Weine lernte er zu schätzen, ganz abgesehen von Champagner. Interessant zu lesen ist, wie Konrad Adenauer (1876–1967) als Kölner Oberbürgermeister und dann als erster deutscher Bundeskanzler den Wein bewertete und sogar taktisch und diplomatisch eingesetzt hat, z. B. bei seiner Reise 1955 nach Moskau, bei der ihm die Heimkehrzusage der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion gelungen ist. Selbst für seine regelmäßigen Urlaubsaufenthalte in Cadenabbia am Comer See wollte Konrad Adenauer auf „sein lecker Weinchen“ von Mosel und Rhein nicht verzichten und ließ ihn im VW-Bus nachkommen. Mit Weinbau und Wein ist der Schwabe Theodor Heuss (1884–1963) schon groß geworden und Wein hat ihn auch sprichwörtlich sein Leben lang begleitet. So diente er jahrelang als offizieller Schirmherr des deutschen Weines, wobei er die gesamte Bandbreite der Weinherkünfte und Qualitäten befürwortet hat. Seine besondere Verbundenheit mit Carl Zuckmayer und dessen „Fröhlicher Weinberg“ krönte er eigenhändig mit dem Großen Bundesverdienstkreuz am Bande.
Die Fülle an Details zu den Persönlichkeiten und zu deren Weinpräferenzen macht dieses Buch besonders lesenswert und sehr geeignet auch zum Verschenken.
Von der Autorin ist im gleichen Verlag auch ein weiteres interessantes Buch mit dem Titel „Spurensuche – Historische Persönlichkeiten im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Luxemburg“ erschienen.
Verfasser: Dr. Günter Schruft, Freiburg i.B.
Aus: Mitteilung der GGW 2/2017