Knubben, Thomas; Schmauder, Andreas; Krämer, Christine (Hrsg.):
Seewein – Weinkultur am Bodensee.
Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2016. 296 Seiten.
ISBN 978-3-7995-1153-7. EUR 19,99
Ein solches Buch über die Weinbau-Geschichte und Weinkultur des Bodensees war längst überfällig, wenn es nicht so schwierig wäre, geeignete Fachleute hierfür aus den Anrainerländern zu finden, welche die dortigen Archive und die örtlichen Gegebenheiten kennen und zum Ausdruck bringen können. Die elf ausgesuchten Autoren haben es in 22 Kapiteln hervorragend fertiggebracht, auf der Basis der besonderen geografischen und klimatischen Gegebenheiten und aus der Vogelperspektive den Bodensee und seinen Wein so darzustellen, dass man umgehend vor Ort sein will, um diese Landschaft und seinen Wein zu genießen. Dabei werden einem die unterschiedlichen Weinregionen der nördlichen deutschen Seeseite über den schweizerischen Thurgau mit den weniger bekannten Anbaugebieten der oberrheinischen Region Schaffhausen, dem St. Galler Rheintal und dem österreichischen Vorarlberg sowie mit Liechtenstein im Umfeld des südlichen Bodenseeufers deutlich bewusst.
Die Geschichte des Bodensee-Weinbaus wird zunächst im Spiegel gefundener Rebpollen dargestellt und der Frage einer möglichen Nutzung der Wildrebe durch prähistorische Menschen nachgegangen, um in den Weinbau der Römer und Alemannen überzugehen. Gerade der Bodensee-Raum eröffnete dem Weinbau und der Weinerzeugung eine besondere Darstellung durch die weithin bekannten Klöster von St. Gallen, der Insel Reichenau, der Zisterzienserabtei Salem, aber auch durch das Allerheiligenkloster in Schaffhausen. Einen schönen Einblick in die klösterliche Weinwirtschaft des 18. Jahrhunderts zeigen die Weinverkaufsbücher der Kartause Ittingen im Thurgau. Eine besondere Stellung nimmt am Bodensee der Weinbau und die Weinkultur in den bekannten Bodensee-Städten ein, wie Meersburg und Überlingen, aber auch Radolfzell und Friedrichshafen, wobei der Wein im Handel eine große wirtschaftliche und in den städtischen Spitälern eine wichtige soziale Bedeutung eingenommen hat. An Hand des typischen Bodensee-Klimas wird gerade auch der schwankende Verlauf der Traubenernten dargestellt. Der Übergang in die neuzeitliche Weinwirtschaft wird vielseitig beleuchtet und anschaulich gemacht. Besonders interessant wird der Bodensee-Raum als Drehscheibe für regionale Produkte aufgezeigt, wie sie im gegenseitigen Austausch besonders auf dem Wasser zum notwendigen Nutzen im Weinbau gelangen. Der Bodensee-Weinbau war und ist gekennzeichnet durch den besonderen Anbau der Rebsorten Müller-Thurgau und Blauer Spätburgunder, deren Geschichte und Bedeutung hier hervorragend zur Darstellung kommt.
In vier Kapiteln wird abschließend auf die Trinkkulturen eingegangen. So werden historische Trinkbräuche von der Seite des Genusses und des Missbrauchs aufgezeigt. Ein besonderes Kapitel dient der Darstellung der Trinkstubengesellschaften in den Bodensee-Städten, die auch in der Funktion von Zünften und Bruderschaften in Erscheinung traten. Auch Wein als Heilmittel in historischer Zeit und in der Moderne findet sich in einem Kapitel. Und wer weiß schon, dass der „Malvasier ein süßes Luxusgetränk am Bodensee“ war. Die kleine Weinbauregion Bodensee kann aber durchaus in den ökonomischen und ästhetischen Dimensionen der Wein-Globalisierung gesehen werden, was im neuen „Vineum Bodensee“ in Meersburg anschaulich dargestellt wird, ein Museum, das eben mehr ist. Hierzu passt auch ein spezielles Kapitel, das die historische Entwicklung der Weinetiketten an Beispielen von Bodenseeweinen behandelt, zumal dort gerade mutige Wege gegangen werden. Am Beispiel einzelner Bodensee-Weingüter und einer Zusammenstellung der Weingüter und Winzergenossenschaften rund um den Bodensee schließt dieses vielseitige und interessante Werk ab, das jedem Weinfreund empfohlen werden kann, auch zur Selbsterkenntnis.
Verfasser: Dr. Günter Schruft, Freiburg i.B.
Aus: Mitteilung der GGW 2/2017