Wolfgang Alber und Andreas Vogt (Hrsg.):
Württemberger Weingeschichten.
Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2016. 296 Seiten.
ISBN 978-3-86351-418-1. EUR 25,-
Das Vorwort zu diesem schön gestalteten Wein-Lesebuch steuerte der Weinjournalist Stuart Pigott bei, der nicht nur als unkonventioneller Autor, sondern obendrein als großer Kenner der Württemberger Weinszene gilt.
Allein das lässt auf eine ganz und gar nicht angestaubte Anthologie schließen. Pigott prophezeit für die kommenden Jahre „ein neues Zeitalter des württembergischen Weins“ – höchste Zeit also, auch die literarische Weinlandschaft neu zu erkunden.
Beide Herausgeber sind Kulturwissenschaftler, beide leben in Reutlingen am Fuß der schwäbischen Alb. Wolfgang Alber schreibt seit vielen Jahren über Wein und hat gar praktische Erfahrung im Weinbau, Andreas Vogt war Regisseur und Autor am Theater Lindenhof in Melchingen, bevor er ins Reutlinger Kulturamt wechselte.
Mit Texten und Gedichten von 80 Autoren aus 800 Jahren nähern sich die beiden Herausgeber der Weinkulturgeschichte von verschiedenen Seiten. In sieben Kapiteln (Land der Dichter und Trinker / Die Tücken der Ökonomie / WeinKulturLandschaft / Trollinger und Elender / Rausch und Nüchternheit / Die Wissenschaft vom Wein / Wein, Weib, Gesang) spannen sie einen weiten Bogen: Lyrik steht neben Prosa, kulturwissenschaftliche Betrachtungen neben Sachtexten, Bekanntes neben Unbekanntem. Die Autoren reichen vom Minnesänger Gottfried von Neuffen über den Dominikanermönch Felix Fabri bis zum Sternekoch Vincent Klink, die Handlungsorte vom Neckar bis nach Rom. Hölderlin, Schiller, Uhland, Kerner oder Thaddäus Troll dürfen nicht fehlen, doch die Texte sind mit Bedacht gewählt. Weniger bekannt sind Kölles „Kneipen in Rom“ oder Hans Flachs Porträt über die Tübinger Weingärtner, diese „wohl am schwersten zu schildernden Elemente menschlicher Gesellschaft“, ein „Mittelding zwischen Europäer und Waldmensch.“ Die Vielfalt der Beiträge soll zeigen, dass „der Wein ein Beitrag zur Kultur sein kann“ und die Auswahl will anregen zur eigenen Suche nach verborgenen Schätzen im literarischen Weinberg. Und genau darin besteht die Leistung der Herausgeber: Es sind durchweg Texte und Gedichte mit ausgeprägtem Charakter. Wer am Albtrauf und damit ganz am Rand des Weinbaugebiets Württemberg agiert, der hat offensichtlich nicht nur Weitblick, sondern gar Sinn für Schräges, wie Alber und Vogt mit Texten wie Thomas C. Breuers „Abgang“ beweisen, einer Art Knigge für die Weinprobe („Begehren Sie auch tunlichst nicht zu wissen, ob man sich gegen Schwarzriesling impfen lassen muss“). Diese Auslese feiner, sorgsam ausgewählter Texte hat Substanz und ist darüber hinaus erfrischend und so erfreulich wie ein leicht gekühlter Kult-Trollinger der jungen Winzergeneration. Und daher uneingeschränkt empfehlenswert für Schwaben und
Nicht-Schwaben gleichermaßen.
Verfasserin: Dr. Christine Krämer, Stuttgart
Aus: Mitteilung der GGW 1/2017