2025: Dolia: the containers that made Rome an empire of win

Cheung Caroline: Dolia: the containers that made Rome an empire of wine. Princeton: Princeton University Press, 2024. 344 Seiten; ISBN: 9780691243009. Preise ohne Gewähr: 55 Dollar als e-book, ca. 39 Dollar als gebundenes Buch.

Die Geschichte Roms steht für Kriege, Herrscher, Gladiatorenkämpfe und Eroberungen. Meist geschrieben aus der Sicht der Alphatiere, weniger aus der des gemeinen Volkes, nicht neu für die Mitglieder der Gesellschaft der Geschichte des Weines. Anders das neue Buch von Caroline Cheung. Rom wird nicht als politisch-wirtschaftliches Weltreich definiert, sondern als Imperium des Weines, befördert durch Dolia (Einzahl Dolium). Das sind die großen, dickbauchigen, ei- oder erdbeerförmigen, in der Erde eingelassenen Gär- und Lagerbehälter mit weiter Öffnung. Sie sind bei uns weniger bekannt und waren auch weniger verbreitet als die wie Sand am Meer vorkommenden Amphoren, die als Transportbehälter wesentlich kleiner sein mussten und zur besseren Lagerung unten spitz zuliefen. Sie finden sich nicht zuletzt in Hunderten untergegangener Handelsschiffe an den Küsten des Mittelmeeres, neben nur wenigen Wracks mit Dolia. 

Natürlich ist über den römischen Weinbau, die Kellerwirtschaft und das römische Trinkverhalten bereits viel geschrieben worden. Wir wissen gut Bescheid über die römische Kellertechnik, die in Großbetrieben mit Pressen oder Konzentratanlagen industriellen Charakter aufwies. Was eher nicht im Fokus stand, waren diese Dolia. Deren Bedeutung liegt im wahrsten Sinne des Wortes vergraben, und ruhende technische Objekte neigen dazu, unter dem Radar der Aufmerksamkeit zu fliegen. Wer schreibt das erste Buch über die Geschichte der Schläuche und Leitungen, heute mindestens genauso wichtig wie Tanks? Dolia ließen sich nicht nur zum Aufbewahren, sondern auch zur Gärung nutzen und waren damit ein verfahrenstechnisches Gerät der Kellerwirtschaft. Unten kann sich Trub konzentriert sammeln, eingegraben in der Erde sind sie äußerst stabil und halten die Temperatur halbwegs konstant.

Zum Glück hatten bereits vor rund 20.000 Jahren nicht namentlich bekannte Genies in China begonnen, aus Ton Gefäße zu brennen. Die ersten Keramik-Technologen für die Herstellung von Wein waren ab 6.000 vor unserer Zeitrechnung die Georgier mit ihren Qvevries, die in Aussehen und Herstellung sehr stark den römischen Dolia ähneln. Später sieht man auf ägyptischen Wandbildern ähnliche Gefäße, die Griechen kannten solche Behälter natürlich auch und nannten sie Pithoi. Insgesamt gehören Erfindung und Nutzung von Keramikgefäßen zu den wichtigsten Erfindungen der Steinzeit; eine Erfindung, die es schließlich ermöglichte, eine wachsende Bevölkerung in großen urbanen Zentren mit jeder Art von Lebensmitteln zu versorgen. Festzuhalten ist, dass die Keramikbehälter eindeutig keine römische Erfindung sind, die Römer aber alles in eine größere, industrielle Dimension transformierten. 

Keramik in all seinen Schattierungen spielt bis in die Gegenwart eine nicht unwesentliche Rolle. Das, obwohl Kelten um die Zeitenwende den Siegeszug des Holzes einläuteten, zunächst im Norden, in den folgenden Jahrhunderten nach und nach überall. Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. wurden Dolia auch in Rom allmählich durch Holzfässer ersetzt, die waren kostengünstiger zu beschaffen im Handling wesentlich praktischer. Die Verwendung von Keramikbehältern hält trotzdem bis heute an, trotz der Erfindung von Edelstahltanks nach dem 2. Weltkrieg. Man mag es als eine Ironie der Geschichte sehen, aber in nicht wenigen Weinbaubetrieben stehen große Holzfässer, Keramikbehälter und Edelstahltanks heute friedlich nebeneinander. Dabei sind Gefäße aus Keramik oder Holz, speziell die Barriques, oft mehr als nur Lagerbehälter. Wer als Winzer den Kachetischen Stil nachahmt, die traditionelle georgische Technik und immerhin Weltkulturerbe, kann auf höchstem Niveau „Story Telling“ betreiben. Er nennt seine Weine dann wegen ihrer Farbe Orange Wines oder Naturwein. Die Sommeliers danken.

Caroline Cheung bewegt sich sehr konsequent innerhalb des Buchtitels und spricht Fachleute, aber ebenso interessierte Laien an. Das Buch verbindet Archäologie, Önologie, Historie und Kultur, eigentlich ideal für die GGW. Das Thema ist, einschränkend, allein Rom und dessen Containern gewidmet, der Rest der Welt und die Bedeutung von Keramik insgesamt werden weniger ins Auge gefasst. Wer Hammer ist, sieht die Welt als Nagel. Dafür deckt das Buch das römische Imperium und vor allem die Vielfalt der Behälter umfassend ab. Cheung sieht die Weinbehälter als die Superstars der gigantischen römischen Lager- und Infrastruktur für Lebensmittel. Eine rettungslos überbevölkerte Stadt mit bis zu einer Million Einwohnern zu versorgen, war alles andere als trivial. Letztlich war dazu unter anderem eine regelrechte Industrie zur Herstellung der Dolia entstanden. Allein in Mittelitalien ließen sich im 1. Jahrhundert n. Chr. 20 Produktionsstätten identifizieren. Sie produzierten Dolia für rund 100 Kellereien in dieser Region, die sich die großen Behälter mit hohen Anschaffungspreisen leisteten. Aber überall, wo es Römer und Wein gab, Spanien, Frankreich, Nordafrika, waren Dolia in unterschiedlichen Größen zu finden. 

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf Wein und noch etwas auf Olivenöl als Inhalt. Weizen oder Garum, das Maggi der Antike, werden ausgeklammert. Die unterschiedlichen Formen (rundlich, klein, groß, dünn, dick usw.), die Herstellung, die häufig notwendige, aufwendige Reparatur sind ihr Thema. Besonders die Reparatur war angesichts von deren hohen Anschaffungskosten immer erste Wahl. Dazu beschreibt sie regionale Unterschiede oder die Evolution der Dolia im Laufe der Zeit. All das wird in neun Kapiteln auf 210 Textseiten mit 75 Bildern und Grafiken anschaulich und ausführlich dargestellt. Ein Anhang von rund 130 Seiten mit großem Literaturverzeichnis und weiteren Erläuterungen zeigt die Tiefe, mit dem das Thema angegangen wird.

Dolia waren die größten Behälter ihrer Zeit, oft mit 1.000, aber auch bis 3.000 Liter Inhalt in Kellereien, deutlich kleinere in Gaststuben oder Landgütern.  Vorausgegangen waren die griechischen Pithoi (Einzahl: Pithos), auch bis einige Hundert Liter fassend, unterschieden die sich von den Dolia in ihrer Form, sie waren eher für oberirdische Lagerung gedacht und nicht selten verziert. Kleinere Exemplare wurden sogar als Urnen nach einer Kremierung verwendet. Diesen, samt den georgischen Qvevries, liegt die gleiche anspruchsvolle Herstellung mit viel Spezialwissen zugrunde. Schichtweiser Aufbau mit speziellem, möglichst mineralreichem Ton, oft das Geheimnis des Produzenten, nur wenige Zentimeter täglich in die Höhe wachsend, dann einige Tage Lufttrocknen, bevor bei über 1.000 Grad Celsius mehrere Tage gebrannt wurde. Nach dem Auskühlen waren die Behälter transportbereit. Ausgekleidet wurden sie in der Antike mit einer dünnen Schicht Holzteer, die ein rauchiges Aroma ergibt und noch einen gewissen Gasaustausch erlaubt. Die heutigen Qvevries sind mit Bienenwachs ausgekleidet und sind so in der Lage, mit einer Art Mikrooxigenation (ein dosiertes Zuführen von reinem Sauerstoff zum Most oder jungen Wein) die Reife des Weines zu unterstützen. In den Kellereien wurden die Dolia in der Erde eingegraben, bis nur noch der obere Wulst herausschaute. Sie konnten mit Deckeln weitgehend luftdicht verschlossen werden. In Großbetrieben mit Dutzenden dieser Behälter betrugen die Abstände zwischen den Dolia oft nur wenige Zentimeter.

Die Weinherstellung mit und in diesen Behältern konnte auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: Als reine Mostgärung, als Maischegärung mit weißen oder roten Trauben, abgebeert oder mit ganzen Trauben, evtl. noch mit Erwärmung (Kühlung war in römischer Zeit schwieriger), Lagerung nur kurz oder über Monate in den Dolia. Schwefelung gab es keine, die Gärung selbst war eine Spontangärung. Dadurch ergab sich für die antiken, aber auch für die heutigen Kellermeister, ein breites Spektrum an unterschiedlichen Weinen, je nach Philosophie des Unternehmens. Abgezogen wurde von oben, der Trester bzw. Weintrub konzentrierte sich unten. In die größeren Dolia (oder Qvevries), ab etwa 800 bis 1.000 Liter, konnten Arbeitssklaven einsteigen und reinigen. In Georgien wird der Weinrückstand heute zu einem sehr beliebten Tresterschnaps, vergleichbar Grappa, veredelt. Aufgrund hoher Gerbstoffgehalte konnten die Weine längere Zeit gelagert werden. Der römische Weingeschmack war zumindest bei den Alphatieren auf reife Weine geeicht, die aber bei größerem Bedarf durch Erhitzung einer Schnellreifung unterzogen werden konnten.

Cheung liefert in ihrem Buch eine Fülle von Spezialwissen, das der Laie interessiert zur Kenntnis nimmt, aber letztlich nicht wirklich kritisch begleiten kann. Er ist beeindruckt von den vielen Zahlen, Daten und Fakten. Eine fachkundige Rezension von Dimitri Van Limbergen von der Universität Verona vermisst allerdings einen interpretativen Mehrwert und einen mehr übergreifenden Ansatz. Wer sich mit dem antiken Rom, seiner Weinkultur und der Technologie beschäftigen will, wird nicht zuletzt aufgrund der anschaulichen Grafiken und Fotos viel Genuss bei der Lektüre finden.    

Jochen Hamatschek, Landau

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