2023: Rathke, Winfried: Wein – Mythos – Kunst
Rathke, Winfried: Wein – Mythos – Kunst. Menippos Verlag 2023, 164 Seiten; ISBN 9783000753275. 15,80 Euro.
Rathke, Augenarzt, Tropenmediziner, Lyriker, Gitarrist und Hobby-Historiker, lebt seit 1965 im Rheingau. Nun hat er all seine Erfahrungen, sein Wissen rund um den Wein und seine Leidenschaft für die Kunst in ein Buch gepackt. Es umfasst acht Schwerpunkte: Dionysos – Bacchus, Alter Orient, Dionysos in Hellas, Weingefäße, Personal des Dionysos, Feste, Das Theater sowie Bibel und Wein.
Dass der Wein in der griechischen und römischen Mythologie eine große Rolle spielte, dürfte hinlänglich bekannt sein. Wie aber was mit wem und wodurch zusammenhängt, vielleicht weniger. Untermalt von wunderbaren Bildern aus der weltweiten Museenlandschaft entführt Rathke die Leserschaft in die griechische Götterwelt. Seine augenzwinkernden Kommentare lassen die Bilder von Rubens sowie von Reni und Franz von Stuck lebendig werden. In vielen Bildern, Abbildungen von Mosaiken, Statuen, Reliefs oder Fresken wird die Geschichte des Weingotts erzählt. Der Nahe Osten ist heute religionsbedingt eher abstinent, früher sah das ganz anders aus. Zwischen Euphrat und Tigris war Wein alltäglich. Auch hier belegen zahlreiche Abbildungen, dass in Armenien und Jordanien schon in frühester Zeit Weinbau betrieben wurde. Nicht nur skurrile Trinkgefäße, wie z. B. eine Brustwarzenkanne oder eine Weinkanne mit Greifenkopf, weinspezifische Buchmalerei und Keramikfliesen im Topkapi-Palast zeugen vom hohen Stellenwert des Weines in dieser Region.
Im nächsten Kapitel wird es ein wenig wissenschaftlich. Man erfährt nebenbei, woher der bakteriologische Begriff Staphylokokken kommt und wer der Ampelographie ihren Namen gegeben hat. In Kommentaren zu Bildern von Velasquez wird man aufgeklärt, woher der Ausdruck „homerisches Gelächter“ kommt. Des Weiteren belegen zahlreiche Bilder von Rubens, wie feuchtfröhlich es im Götterhimmel zuging. Einen breiten Raum nehmen die Gefäße ein, in denen Wein aufbewahrt oder aus denen Wein getrunken wurde. Vom einfachen Trinkschlauch aus Ziegenleder über Trinkhörner und kunstvollen Schalen bis hin zu Amphoren und letztlich zum Weinfass. Auch dies wird wieder mit zahlreichen Bildern belegt und mit witzigen Randbemerkungen kommentiert. Wem ist z. B. bekannt, dass es ein Weingefäß namens „Krater“ gibt, dieses 1.100 Liter fassen kann, 1,64 m groß ist, 208 kg wiegt und in einem keltischen Grab gefunden wurde? Da in der Kunst fast alles erlaubt ist, störte man sich auch nicht daran, aus einem bemalten Weingefäß zu trinken auf dem ein Mann abgebildet ist, der auf seinem Penis eine Trinkschale balanciert. Viele solcher Kuriositäten lassen einen staunen und verwundert mit dem Kopf schütteln.
Viele nackte Wahrheiten erwarten die Leser im folgenden Kapitel, in dem es um das Personal von Dionysos und die meist ausufernden Bacchanale geht. Nymphen, Satyre, Putten, Eroten, Faune sowie betrunkene Silene in allen möglichen Situationen werden dargestellt. Wein- und Fleischeslust von Rubens und seinen Kollegen phantastisch ins Bild gesetzt. In unzähligen Stellen, so erfährt der Leser im letzten Kapitel, findet der Wein in der Bibel Erwähnung. In diesem Büchlein wird dies durch wunderbare Geschichten und Bilder dokumentiert. Ob Noahs Trunkenheit, die Geschichte von Lot und seinen Töchtern, die Hochzeit von Kana oder das wohl berühmteste Beispiel, das Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern, in dem der Wein neben dem Brot letztlich als symbolisches Bindeglied zwischen Mensch und Gott versinnbildlicht wurde. Daneben zeigen viele Gemälde wie „Christus in der Kelter“ oder „Maria mit dem Kinde und der Weintraube“ u. v. a. den Stellenwert des Weins im Christentum.
Ich habe dieses Büchlein mit Lust verschlungen und konnte es kaum erwarten, die Seiten umzublättern. Diese Mischung aus umfassendem, aussagekräftigem Bildmaterial, humorigen Bemerkungen und geschichtsträchtigen Texten ist einfach genial. Wein einmal ganz anders. Pralles Leben, tiefe Sinnlichkeit. Die Würdigung des Weins als eines der schönsten Kulturgüter der Menschheit. Dieser Streifzug in die griechische Mythologie, durch die berühmtesten Museen der Welt, zu antiken Stätten ist interessant, lehr- und aufschlussreich. Eine mehr als amüsante Geschichts- und Kulturstunde. Ein Lesespaß, egal ob mit oder ohne Wein.
Horst Kröber, Kippenheim