2023: Schilling, Klaus: Baumtrotten – Kulturerbe und Jahrhundertzeugen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein

Schilling, Klaus: Baumtrotten – Kulturerbe und Jahrhundertzeugen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. AS Verlag Zürich 2023, 220 Seiten. ISBN 978-3-03913-0 32-0. 56,00 Euro. 

Der Betrachtung des Buches sei erklärend vorausgeschickt: Trotte ist eine regionale Bezeichnung für eine Kelter. Bei Baumtrotten wurde der Pressdruck auf die Maische über einen meist mächtigen Baumstamm als Hebel ausgeübt. Mit Hilfe beweglich angehängter Gewichte und die Hebelwirkung verstärkender Keile konnte der Druck gesteigert werden. Baumkeltern waren in Deutschland vor allem in den Weinbaugebieten östlich des Rheines in Baden und Württemberg verbreitet. Die noch erhaltenen sind Blickfänge in den großen Kelterhäusern von Weinmuseen. Sie waren meist im Besitz der Landesherren und der Klöster und dienten auch zum Eintreiben des Zehnten als Steuer.

Schon vor dem Blättern in dem großzügig gestalteten Bildband denkt man an uraltes Handwerk. In der Einleitung werden Ursprung, Aufbau und Funktion der Baumtrotten erklärt. Im Hauptteil sind die Keltern in Wort und Bild nach Gebieten und Orten gegliedert dargestellt. Ihre Erhaltung reicht von „Sicherung erforderlich“, über Mittelpunkt von Weinmuseen oder Nobelgaststätten bis hin zu Trotten, auf denen noch „historische“ Weine gepresst werden. Erstaunlich ist die große Anzahl noch erhaltener Exemplare, obwohl der Autor das Problem ihrer Erhaltung mit den Worten: „Augenweide oder platzraubender ‘Steh im Weg’?“ ausdrückt. Dargestellt sind die Keltern als Foto oder Zeichnung, zudem die Kelterhäuser. Besonders die Nahaufnahmen wichtiger Funktionsteile erwecken Respekt vor der Kunst der Handwerker vor der Einführung moderner technischer Hilfsmittel. Im Begleittext zu den Bildern wird auf die Geschichte und Funktion der Trotten eingegangen. Neben den Traubenkeltern werden auch besondere Geräte aus den Weinmuseen vorgestellt, zum Beispiel eine Presse zur Herstellung von Briketts aus Trester zum Heizen (Seite 179 und 184).

Der Anhang ergänzt den großartigen Bildkatalog mit der Vorstellung der Forscher, die über die Trotten arbeiteten, mit Literaturnachweisen und Adressen. Für die deutsche Weingeschichte ist im Anhang die Abbildung auf Seite 227 von Bedeutung. Die dargestellten Obst- und Beerenpressen wurden in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts häufig, unter anderem aus Südtirol zur Dekoration nach Deutschland gebracht und als Theken in Gaststätten oder Weinprobierstuben eingebaut. Nun werden manche schon als autochthon für die neue Heimat angesehen. Ergänzend zu den Ausführungen betreffend mechanischen Horizontalpressen auf Seite 22 sei erwähnt, dass Diderot bereits 1751 horizontal arbeitende Keltern beschrieben hat. Eine wurde 1833 von Bronner unter Kallstadt beschrieben. Sie hießen damals „Sargkelter“. Unterschlagen möchte ich nicht den Hinweis auf die Schrift Nummer 97 der „Schriften zur Weingeschichte“ von Gerhard Troost: „Keltern“, die umfassend über ihre Wirkungsweisen und Geschichte informiert.

Insgesamt kann der Band „Baumtrotten“ als wichtige Darstellung von Denkmälern der Weinkultur, des Weinbaus und des Handwerks bezeichnet werden. Er kann bei der Planung von Reisen Weinfreunden helfen, verborgene weinhistorische Schätze aufzufinden. Auch ohne Reise glaubte ich mit Freude im Buch den Geruch uralten Eichenholzes zu riechen.

Fritz Schumann, Neustadt an der Weinstraße