2022: Nickenig, Rudolf: Köln – eine merkwürdige Weinstadt

Nickenig, Rudolf: Köln – eine merkwürdige Weinstadt. Mar­zellen Verlag GmbH, Köln 2022. 176 Seiten; ISBN­13: 9783937795799. 19,95 Euro

Seit Jahrhunderten pflegten die auch zum jetzigen Wohnort des Kölner sowohl zum Geburts­ als Autors Rudolf Nickenig enge Beziehungen. Schon zur Merowin­gerzeit hatten sie sowohl in Bop­pard als auch später in Remagen beachtlichen Fernbesitz, insbe­sondere in Form von Weinbergen. Vermutlich war dies nach eigenem Bekunden die Triebfeder, dieses Buch zu schreiben.

Dabei bezweifelt Nickenig nicht im Geringsten, dass Köln heute eine Bierstadt ist und dass Kölsch die einzige Sprache ist, die man trinken kann. Wichtiger ist ihm jedoch zu beweisen, dass Köln eine Weinmetropole war und zwar viel länger als manche Historiker meinen. Dazu bedient er sich eines gedanklichen Sparringspartners mit dem in Köln nicht unbekannten Namen Karl Schmitz als Ideengeber, Initiator und Brückenbauer. Der Autor in Gestalt des Wilhelm will diesem beweisen, dass der Wein in Köln auch in der Neuere Geschichte eine wichtige gesellschaftliche Rolle gespielt hat, viel länger als allgemein bekannt ist. Es war dem Autor ein Anliegen, dies wissenschaftlich basiert zu belegen und mit dem nötigen rheinischen Humor zu versehen, um das Lesevergnügen zu steigern. Vorweggesagt, es ist ihm hervorragend gelungen.

Bevor er sich jedoch auf den Weg macht, diesen Beweis anzutreten, widmet er zunächst einige Kapitel dem Kölsch, seiner Herstellung und seiner kulturellen Bedeutung.

Seine Weinstudien beginnt er mit der Römerzeit, für die jedoch noch keine Quellen existieren. Man ist auf Vermutungen angewiesen, wobei man aus dem Nichtvorhandensein einer Quelle nicht den Schluss zie­hen kann, dass Weinbau keine Rolle gespielt habe. Vieles spricht dafür, dass die Römer begannen, in Köln oder drum herum Weinreben anzu­ bauen, um vom „Weinimport“ unabhängiger zu werden. Bereits aus dem Jahr 641gibt es eine erste Urkunde, worin festgehalten wurde, dass Weinbauern inmitten von Weinbergen ein Badehaus errichtet hatten. Eine weitere Urkunde aus dem Jahre 643 bezeugt Kölner Fern­besitz in Boppard, ein Hinweis darauf, dass der eigene Weinbau nicht mehr ausreichend war, um die Bevölkerung mit Wein zu versorgen.

Das erste Kölner Weinbaukataster, das der Magistrat 1681 in Auftrag gab, erbrachte den Beweis, dass die Rebfläche innerhalb der Stadtmau­ern ca. 90 Hektar groß war und damit ca. ein Viertel der Stadtfläche einnahm. Dieser hohe Flächenanteil blieb auch im folgenden Jahrhun­ dert weitgehend konstant, bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten Weinberge das Stadtbild von Köln. Während der Franzosen­ zeit ab 1794 bis 1814 verlor der Weinbau an Bedeutung, da der gewon­nene Wein allenthalben im Vergleich zum französischen von minderer Qualität war, bis er schließlich zur Jahrhundertmitte fast vollständig zum Erliegen kam.

Mit dem Verschwinden der letzten Reben aus dem Kölner Stadtgebiet endete jedoch noch lange nicht das Weinfeeling, wie es der Autor aus­drückte. Schon Karl der Große hatte Anstöße für eine Ankurbelung des Weinhandels gegeben. Der Rhein als Transportweg spielte dabei eine zentrale Rolle. Besonders mit England wurde seit dem 10. Jahr­hundert Weinhandel betrieben. Wein war im Mittelalter das wichtigste Handelsgut für Köln und Köln war nach Bordeaux der zweitwichtigste Handelsplatz. Auch wenn der Handel mit Wein in den nächsten Jahr­ hunderten zurückging, hielt er sich bis ins 19. Jahrhundert.

Recht ausführlich haben Karl und Wilhelm über den Kölner Klüngel sowie die Bedeutung der großen Zahl an Weinhändlern, deren Orga­nisation und Geschäftstüchtigkeit und insbesondere deren Bedeutung und positiven Einfluss auf das kulturelle Leben der Stadt Köln reflek­tiert.

Es überrascht nicht, dass einige der „betuchten“ Weinhändlerfamilien bei den Kölner Machtränken eine bedeutende Rolle spielten, mehr­mals den Bürgermeister stellten oder Mitglieder des engen Rates der Stadt waren.

Breiten Raum nehmen auch die Betrachtungen zum Wein­ und Bier­ konsum vom Mittelalter bis zur Gegenwart ein, was nicht verwundert, hat sich der Autor jahrzehntelang mit dem Thema eines moderaten Weinkonsums beschäftigt. Da der Weinkonsum überwiegend in Gast­stätten getätigt wird, ist es naheliegend, auch die Entwicklung der Gaststätten über die vielen Jahrhunderte in Augenschein zu nehmen. In diesem Zusammenhang geht Nickenig auch den mittelalterlichen Berichten über eine römische Wein-­Pipeline von Trier nach Köln nach, die von den Römern gebaut worden soll, um ihren immensen Wein­durst mit Moselwein stillen zu können. Und schließlich will Wilhelm bzw. der Autor mit seiner Wette beweisen, dass Wein sehr lange das Kölner Kulturleben in positiver Weise beeinflusste, auch das Karne­vals­-, Theater-­ und Kirmestreiben.

Eine unterhaltsame und erkenntnisreiche Spurensuche der Kölner Wein­- und Kulturgeschichte geht zu Ende, wobei jedes Kapitel Zeugnis von der Freude des Autors bei der Recherche gibt.

Gerhard Stumm

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