Naser, Christian: Balthasar Neumanns Weinhändlerschloß. Das Zeller Palais als Kristallisationspunkt der wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung der fränkischen Weinhändler im 18. Jahrhundert. 2 Bände, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2022. ISBN 978-3-8260-7538-4. 88,00 Euro. 

Einige werden sich erinnern: Anlässlich der Herbsttagung 2017 der Gesellschaft für Geschichte des Weines in Wertheim besuchten wir in Gerlachsheim das barocke Palais der Weinhändlerfamilie Buchler. Dr. Christian Naser hielt dort einen Vortrag zur Geschichte der fränkischen Weinhändler im 18. Jahrhundert. Naser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Philologie in Würzburg. Seine Beschäftigung mit den Weinhändlern und ihren Häusern entspringt vor allem bürgerschaftlichem Engagement: Es geht Naser darum, durch architekturhistorische Forschung kulturelles Erbe sichtbar zu machen, es in einen größeren wirtschaftsgeschichtlichen Kontext zu stellen und damit letztlich zur Erhaltung der Denkmäler beizutragen. Bereits 2012 hatte sich Naser in einer Publikation mit dem Zeller Weinhändlerpalais beschäftigt, das der berühmte Barockbaumeister Balthasar Neumann 1744 für den Weinhändler Andreas Wiesen ausführte. Nun hat er eine deutlich erweiterte Fassung vorgelegt. 

Naser hat den 450 Seiten umfassenden Textteil in fünf Hauptkapitel gegliedert. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Zeller Weinhändlerfamilien, ihrem Aufstieg, ihrer Bedeutung am Markt und ihrem Niedergang. Die fränkischen Weinhändler waren im Territorium des Hochstifts Würzburg im 18. Jahrhundert ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, ihr Aufstieg begann nach dem Pfälzer Erbfolgekrieg. Durch taktisch arrangierte Heiratsverbindungen entstanden mächtige Kartelle. Rund 30 fränkische Weinhändler hatten ihre Tätigkeit Anfang des 18. Jahrhunderts nach Frankfurt ausgedehnt, wo sie Dependancen unterhielten und den Weinmarkt dominierten und kontrollierten. In ihren fränkischen Heimatorten errichteten sie repräsentative Wohn- und Firmensitze. Die Familien der Zeller Weinhändler legten zunächst als Ziegelhändler und Schiffleute den Grundstock für ihr Vermögen. Das Hochstift Würzburg bot im 18. Jahrhundert mit seiner starken Bautätigkeit entsprechende Verdienstmöglichkeiten. Zell wiederum wies günstige Bedingungen für den überregionalen Weinhandel auf. Ausschlaggebend war die direkte Nähe zum Fluss als Transportweg, der Ort lag an einer Furt und am Knotenpunkt mehrerer bedeutender Verkehrswege und bot eine durch Quellen gespeiste Frischwasserversorgung. Innerhalb eines Zeitraums von etwa hundert Jahren, zwischen 1692 und 1794, entstanden in Zell zahlreiche Weinhändlerpalais, von denen 18 bis heute erhalten sind. Besonders markant sind die Jahre 1741 bis 1751, als parallel zum barocken Umbau des Klosters Oberzell die fünf größten Palais errichtet wurden. Obwohl sie vielfach umgenutzt wurden, prägen die Gebäude den Ortskern und sind von außerordentlicher Bedeutung für das Verständnis der Wirtschaftsgeschichte Zells und Frankens.

Der ausführliche zweite Hauptteil ist der Baugeschichte und der Architektur des Neumann‘schen Palais gewidmet. Die zwischen 1741 und 1744 errichtete Dreiflügelanlage, ein schlossartiges Gebäude mit Geschäfts-, Repräsentations- und Wohnräumen, eigener Anlegestelle und figurengeschmücktem Terrassengarten, verfügte über ein zweistöckiges Kellerensemble mit fünf um einen Ehrenhofkeller gruppierten Gewölbekellern. Zur Weinerzeugung werden große Mengen an frischem Wasser benötigt, eine eigene Wasserversorgung war also essenziell. Naser kann eindrücklich zeigen, dass die Quellen am Zeller Berg ein wichtiger Standortfaktor waren. Sie wurden durch Quellenfassungen und Brunnenkammern nutzbar gemacht, wovon das ausgeklügelte, heute noch funktionsfähige Wasserkanal- und Drainagesystem unter dem Zeller Schloss zeugt.

Im dritten Kapitel werden dem Zeller Schloss sechs palaisartige Weinhändlergebäude in Franken gegenübergestellt, im vierten Teil liefert Naser eine Inventarisierung der weiteren 17 in Zell erhaltenen Weinhändlerhäuser. Anhand dieser Vergleiche kann Naser das typische Raumkonzept eines Weinhändlerpalais aufzeigen: Produktion, Lagerung, Kontor, repräsentative Räume mit Festsälen und Wohnen unter einem Dach. Ein ausführlicher Quellenteil im fünften Kapitel sowie 220 Abbildungen in Band 2 ergänzen die Ausführungen.

Nasers quellengesättigte Studie ist an der Schnittstelle zwischen Weingeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kunstgeschichte und historischer Bauforschung angesiedelt. Die Darstellung ist wegen der Komplexität und Vielzahl an Quellenbelegen nicht immer leicht zu lesen, die zentralen Aussagen werden in den jeweiligen Abschnitten jedoch in kurzen Zusammenfassungen verständlich auf den Punkt gebracht. Grundlagenforschung ist arbeitsintensiv, und gerade hierin liegt der hohe Verdienst dieser Studie. Die erhaltenen Weinhändlerhäuser in Zell wurden im Laufe der Jahrhunderte vielfach umgenutzt, stehen teils leer oder sind dem Verfall preisgegeben. In anderen fränkischen Weinbaugemeinden sind sie ganz verschwunden. Christian Nasers Buch liefert wichtige Bausteine, um dieses einzigartige kulturelle Erbe zu begreifen und ist ein Plädoyer dafür, es erlebbar zu machen und zu erhalten.

Christine Krämer, Stuttgart

Junglas, Wolfgang: Weinorte im Rheingau/Entdecken – Entspannen – Entkorken. Droste Verlag, Düsseldorf 2023. Paperback, 168 Seiten; ISBN 978-3-7700-2422-3. 16,00 Euro. 

Die Gesellschaft für Geschichte des Weines plant, ihre Frühjahrstagung 2025 im Rheingau zu veranstalten. Wer sich rechtzeitig darauf vorbereiten will, dem sei dieses Buch des bekannten Fernsehschaffenden empfohlen. Der Autor ist im Rheingau zu Hause und wohnt mit seiner Familie direkt an den Weinbergen. Um die kümmert er sich als Präsident der Deutschen Weinpublizisten (Weinfeder e.V.) und der internationalen Weinjournalisten (FIJEV) auch beruflich. Er veröffentlichte bereits zahlreiche Gastronomieführer und produzierte bekannte TV-Sendungen wie „Johann Lafer kocht“ oder die „Wahl der deutschen Weinkönigin“.

Der gebürtige Eifelaner ist überzeugt: im Rheingau lässt es sich gut leben. Und dafür führt er in seinem Buch viele Argumente an. Er verfolgt dabei ein überzeugendes journalistisches und verlegerisches Konzept: Er stellt 76 „Weinorte“ vor, kurz, knapp und unterhaltsam auf einer Druckseite beschrieben, dazu jeweils ein ganzseitiges attraktives Foto. Auffallend, dass der Autor mit der Formulierung der Überschriften sehr stark auf weinkulturelle und weingeschichtliche Aspekte setzt: „Schlenderweinprobe im Kloster“ (Kloster Eberbach in Eltville), „Romantik pur erleben“ (Das historische Brentano-Haus in Winkel), „Riesenfass im Kunstkeller“ (Weingut Georg Müller Stiftung in Hattenheim), „Straußwirtschaft wie früher“ (Weingut Hanka in Johannisberg), „Weinkultur im besten Sinne“ (Keller & Kunst Kontor in Kiedrich), die Reihe an weinkulturhistorischen Aufhängern, die Junglas bedient, um seine Lieblingsorte anzupreisen, ließe sich fortsetzen.

Da Junglas zeigen will, dass sich im Rheingau gut leben lässt, kommt er an Empfehlungen für Weinrestaurants nicht vorbei. Das Spektrum ist groß: „Piratenbude am Fluss“ (Beachrestaurant Allendorf am Rhein), „Steinhaus für Gourmets“ (Das Graue Haus in Winkel), „Weinrestaurant klassisch“ (Restaurant zum Krug in Hattenheim) bis zu „Buntes Genussland“ (Y Wine & Kitchen in Eltville). 

Der Autor zielt aber bewusst auch auf junge Weinfreunde, wenn er zum Beispiel folgende Empfehlungen gibt: „Chillen im Liegestuhl“ (Weinstrand Rüdesheim), „Kuscheln im Fass“ (Übernachten im Rheingau 524 in Geisenheim), „Jung und kreativ“ (Weingut Jung-Dahlen in Erbach). Natürlich dürfen touristische Empfehlungen nicht fehlen: „Weinwandern im Welterbe (Wander-Guru Wolfgang Blum), „Winzerhof für Wohnmobile“ (Weinhof Martin in Erbach), „Immer der Flasche nach“ (Flötenwanderweg in Oestrich), „Unterwegs zu Weinmühlen“ (Mühlenwanderweg im Elsterbachtal), „Auf zum Pfiffchenlauf!“ (Rheingausport in Oestrich), usw.

Natürlich beschäftigt sich Junglas nicht nur mit Wein, auch der Sekt kommt nicht zu kurz: „Hier prickelt der Rheingau“ (Sekt- und Weinkellerei Reuter & Sturm), „Prickelndes Weinhotel“ (Wein- und Sekthaus F. B. Schönleber in Mittelheim), „Oranger Sekt-Adel“ (Sektmanufaktur Schloss Vaux in Eltville), „Sektprobe über den Dächern“ (Bachmanns Wein+Kultur in Eltville), „Winzersekt aus Erster Lage“ (Wein- und Sektgut in Hattenheim). 

Junglas entführt die Leser zu den unterschiedlichsten Weinorten, bunt gemischt und immer wieder überraschend: alle bekannten Weingüter, Klöster und Schlösser, aber auch Neueinsteiger, Gutsausschänke und Restaurants, Übernachtungsangebote, Weinprobiermöglichkeiten, farbige Weinerlebniswelten, Wanderempfehlungen, schönste Weinsichten, Weinfeste, Beratungsangebote, Wissenschaft, Nobles, Stylisches, Hippes, Traditionelles, bewährte und moderne Veranstaltungen. Ein kurzweiliges Brevier. Sehr zu empfehlen (insbesondere, Sie wissen schon, als Vorbereitung für die Frühjahrstagung 2025!). 

Rudolf Nickenig, Remagen 

Bagola, Holger und Schöffling, Harald: Roter und Weißer Elbling. Verlag für Geschichte & Kultur, Trier 2023. 192 Seiten; ISBN 978-3-945768-24-2. 18,50 Euro. 

Wie der Titel schon erahnen lässt, richtet sich dieses Buch an alle Weinliebhaber und Fachleute, die schon immer fundierte und sehr detaillierte Informationen rund um die Rebsorte Elbling suchten. Mit ihrer weiß- und rotbeerigen Form besitzt sie eine jahrhundertelange Anbautradition und ist in Deutschland, vor allem für das Moselgebiet, von besonderer kulturhistorischer Bedeutung. Aufgrund des hohen Ertrags war sie in der Vergangenheit oft die Rebsorte der Wahl, verlor jedoch nach dem Wegfall des „Zehnt“ zunehmend an Bedeutung. Die Qualität wurde dabei oft als minderwertig empfunden und Rebsorten wie der Riesling erhielten Vorrang. Besonders aber nach Krisenzeiten flammte, aufgrund der hohen Ertragsstabilität, das Interesse zunehmend wieder auf, so dass die Rebsorte Elbling in den letzten Jahrhunderten einige Höhen und Tiefen erlebte. Heutzutage ist sie aber trotz aller Widrigkeiten noch immer im Anbau. Und das zurecht, was die Autoren in diesem Buch überzeugend darlegen können.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Teil I wurde von Holger Bagola verfasst und trägt den Titel „Bezeichnungen, Herkunft, Geschichte und Verbreitung“. Der Leser erhält hier vertiefende Einblicke in die ampelographische Beschreibung der Rebsorte mit all den Diskrepanzen und diskussionswürdigen Punkten historischer Werke sowie eine aktuelle Fassung aus der Beschreibenden Sortenliste 2015: Reben des Bundessortenamtes. Besonders hervorzuheben ist hier die Tatsache, dass der Rote Elbling oft als reine Beerenfarbmutation des Weißen Elblings beschrieben ist, es aber dennoch weitere, nicht zu vernachlässigende, ampelographische Unterschiede gibt. Weiterhin wird der Ursprung des Namens Elbling diskutiert, die Problematik zu Synonymen und Homonymen dargelegt und dabei dezidiert auf die oft verwendete historische Bezeichnung „Kleinberger“ eingegangen. Abgerundet wird das Kapitel mit einigen geschichtlichen Aspekten und der heutigen Verbreitung (national wie international). Teil II wurde von Harald Schöffling verfasst und trägt den Titel „Höhen und Tiefen zweier traditioneller Rebsorten im Weinbaugebiet Mosel – 750 Jahre Anbaugeschichte –“. Nach einem informativen Exkurs zur Geschichte der Klonenzüchtung in Deutschland wird hier vor allem über die oben erwähnte wechselvolle Anbaugeschichte des Elblings unter Einbeziehung historischer Ereignisse und rechtlicher Maßnahmen berichtet. Weiterführend kann man sich über den aktuellen Stand des Anbaus mit Fakten zu Flächen, Klonen und Unterlagen sowie über Strategien zur Weinvermarktung oder z. B. geschätzte Produktionskosten informieren.

Insgesamt liefern die Autoren einen fundierten und gründlich recherchierten Überblick über alle weinrelevanten Aspekte der Rebsorte Elbling. Sie erläutern die Ursprünge und schlagen einen Bogen bis in die Gegenwart mit Empfehlungen für die Zukunft. Aufgrund des zweiteiligen Konzeptes gibt es logischerweise hier und da kleinere Dopplungen, die ich aber aufgrund der hohen Informationsdichte gerne erneut gelesen habe. Die Lektüre ist lehrreich, leicht nachvollziehbar und von weinkultureller Bedeutung. Ich empfehle sie jedem Wein- und Kulturinteressierten aus dem Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet sowie generell jedem Weinliebhaber und Fachmann mit Interesse an der Rebsorte Elbling. Und wer nach dem Lesen des Buches direkt Lust auf einen Elbling-Wein oder -Sekt bekommen hat, dem liefern die Autoren eine umfangreiche Liste produzierender Winzer an der Ober- und Untermosel, die das Werk zweckdienlich vervollständigt.

Franco Röckel, Siebeldingen 

Junglas, Wolfgang: Weinorte an der Mosel/Entdecken – Entspannen – Entkorken. Droste Verlag, Düsseldorf 2023. Paperback, 168 Seiten; ISBN 978-3-7700-2421-6. 16,00 Euro.  

Der gebürtige Eifelaner Wolfgang Junglas ist nicht nur überzeugt, dass es sich im Rheingau gut leben lässt. Er bleibt auch seiner ersten Heimat verbunden, die mit Erinnerungen an Ausflüge in eine „lebensfreundliche, liebliche Welt“ der Mosel verknüpft ist. Über Jahrzehnte hat er die Entwicklung des Weinbaus und der Gastronomie in dem weltberühmten Tal sowie an Saar und Mosel journalistisch und weinverkostend begleitet. Nach seinem Eindruck befreit sich die traditionelle Touristenregion von ihrem verstaubten Image und punktet mit neuen Ideen. Alles wäre nichts, wenn zu dieser spektakulären Steillagenlandschaft nicht wieder herausragende Weinqualitäten angeboten werden – und davon ist er überzeugt. Er beobachtet, wie sich die jungen Moselaner und Moselanerinnen zwischen Weinfesten, Trachtentanzgruppen und modernen Weinevents neu erfinden. So fügen sich Landschaft, Menschen, Weine, wunderschöne alte und neue Architektur, innovative, aber auch bodenständige Gastronomie und Hotellerie, Freizeitangebote für Jung und Alt zu einem attraktiven weintouristischen Reiseziel zusammen.  

Und so heißt es direkt im ersten Kapitel: „Bühne frei für die Weinkultur“ im Haus Waldfrieden in Alf, in dem die Kölner Szene (u. a. Wolfgang Niedecken) und der Frankfurter Raum stark vertreten sind. Die weiteren Empfehlungen umfassen das gesamte Spektrum von Weinkultur: Von „Hippe Weinbar an der Porta Nigra“ bis zu einem Besuch „in einer anderen Zeit“, im Jugendstil Hotel Bellevue in Traben-Trarbach. Wer sich für „Weinbau wie anno dazumal“ interessiert, dem wird von Junglas das Weinmuseum in Senheim empfohlen. Für die Wanderfreunde gibt es viele Möglichkeiten an der Mosel und der Autor spart nicht mit Tipps, die sich hinter neugierig machenden Überschriften verbergen: z. B. „Eidechse liebt Riesling“, ein Wein-Erlebnispfad in Bernkastel-Kues; „Let´s go Weinschnitzeljagd“ mit dem Weinhaus Kochan&Platz in Lieser oder „Team Wein unterwegs“, Weinwanderung mit den Weber Brüdern. Und natürlich finden sich bei diesen Weinwanderungen immer wieder tolle Aussichten, wie z. B. „der Blick der Helden“, die schönste Weinsicht in Lieser. Wer nicht das Hotelbett sucht, der hat mit „Schlafen wie im Fass des Bacchus“ eine bemerkenswerte Alternative. An der Mosel gibt es eine ganze Reihe von empfehlenswerten Übernachtungsmöglichkeiten, von Gästezimmern bis zu gediegenen Hotels. Junglas empfiehlt zum Beispiel als „Glücksort der Wein-Gastlichkeit“ den Winzerhof Gietzen in Hatzenport, das Weinhotel Deinhard´s in Bernkastel oder „das Hotel der Weinkönigin“ in Mertesdorf. Niemand braucht an der Mosel zu verhungern, das Angebot für jeden Geschmack und Geldbeutel ist vorhanden. Junglas empfiehlt zum Beispiel einen Besuch im „Wein-Tafelhaus Oos in Trittenheim“, wo man nicht nur auf der Terrasse, sondern auch in der Küche „den Sternen so nah“ ist. Gerne stimmt man dem Autor zu, „Fisch muss schwimmen“, sein Tipp für einen Besuch im Wein- und Fischhaus in Trier macht neugierig. 

Längst ist der Erhalt der Steillagenlandschaft an der Mosel keine pure Männersache mehr. Junglas verdeutlicht dies an mehreren Beispielen, so an „Lenas Steillagen-Waden“, Weingut Endersfelder in Mehring, an der „Generation weiblich“ im Weingut Gindorf in Schweich, am Weingut Sandra Berweiler in Leiwen, wo es den „Wein der Frauen“ gibt. Natürlich verschweigt oder missachtet der Autor die berühmten Weingüter an Mosel, Saar und Ruwer nicht, die international bekannten Flaggschiffe, die Vor- und Immernochkämpfer für den guten Ruf des Rieslings und des einmaligen Terroirs. Und trotzdem ist nicht zu übersehen, dass es auch an der Mosel Schwierigkeiten gibt, alle guten Steillagen zu erhalten. Umso wichtiger sind ergänzende Projekte zum Rebenanbau, wie zum Beispiel „ein Weinberg duftet nach Lavendel“, der Razejunge Wingert in Lehmen lädt ein zum Besuch. 

Junglas entführt die Leser zu den unterschiedlichsten Weinorten, zu bekannten Weingütern, Neueinsteigern, Gutsausschänken und Gaststätten, empfiehlt unterschiedliche Übernachtungsangebote, vielfältige Weinprobiermöglichkeiten, gibt Wanderempfehlungen, präsentiert schönste Weinsichten, Hippes und Traditionelles in bunter Mischung. In der Kürze liegt die Würze. Ein empfehlenswertes Brevier für alle Moseljünger und für die, die es werden wollen. 

Rudolf Nickenig, Remagen

Konsortium Südtirolwein (Hg.): Wein in Südtirol – Geschichte und Gegenwart eines besonderen Weinlandes. Athesia Buch GmbH, Bozen. 520 Seiten; ISBN: 978-88-6839-696-1. 55,00 Euro. Erscheinungsdatum: 13.03.2024. 

Wer eine Buchrezension schreibt, sollte eine kritische Distanz wahren können. Ich gebe zu, es fällt mir in diesem Fall schwer. Warum? Als junger Generalsekretär war ich sehr häufig in Südtirol, weil wir – die Vertreter deutschsprachiger europäischer Weinbaugebiete – uns regelmäßig in Bozen trafen, um die europäische Weinbaupolitik zu beraten. Nach den intensiven Sitzungen diese einzigartige Weinbauregion erleben zu dürfen, war einfach wunderbar. Warum noch? Die Begeisterung über die Haptik, die Graphik, das Virtuelle dieses Buches. Sie, die potenziellen Leser können es noch nicht nachempfinden, aber wenn Sie die wunderbaren, großformatigen Fotos in diesem Buch gesehen haben, dann wissen Sie, was ich meine. Warum so begeistert? Weil ich zu der Generation Buchliebhaber gehöre und weil ich deshalb ein wenig neidisch werde, dass wir in Deutschland seit vielen Jahren kein derartiges Buch über unsere Weinkultur mehr zustande gebracht haben; während vor wenigen Jahren Österreich es fertiggebracht hat und nun auch Südtirol.

Schauen wir in das Inhaltsverzeichnis: Wir finden fünf große Abschnitte: Erstens das Thema Raum und Natur: Kleines Land, vielfältige Lagen. Zweitens Weinbau im Wandel der Zeit: Lernen und Erfahrung sammeln – 2.500 Jahre lang. Drittens Produktion und Konsumation: Der lange Weg von der Rebe ins Glas. Viertens Der Wein in Kunst, Kultur und Gesellschaft: Mensch und Wein. Fünftens Forschung, Beratung, Verbände: Hier lebt man Wein. Bereits diese Überschriften machen neugierig. Obwohl mich alle Abschnitte ansprechen, schaue ich – mit der Perspektive unserer Gesellschaft – als erstes auf den zweiten Abschnitt: Weinbau im Wandel der Zeit. Ich gehe eine Wette ein, dass unser GGW-Präsident Andreas Otto Weber aufgrund seiner wissenschaftlichen Studienthemen als erstes das Kapitel „Guter Wein aus dem Süden – Weingüter süddeutscher Klöster“ von Josef Nössing lesen wird. Wollen Sie wissen, worauf ich mich stürze? In diesem Abschnitt finden sich drei Beiträge von Helmuth Scartezzini: Spuren aus fast zwei Jahrtausenden – Von den Römern bis ins 18. Jahrhundert; Aufstehen, Krone richten, weitermachen – das für den Weinbau turbulente 19. Jahrhundert; Ein waschechter Bozner – Der St. Magdalener; Ein Weißer im Rotweinland – der Terlaner; Hochalpin bis mediterran – Die Weinbaugebiete Südtirols (gemeinsam mit Monika Unterthurner). Helmut Scartezzini war damals bei unseren weinbaupolitischen Besprechungen als Vertreter Südtirols dabei. Ich hatte seit vielen Jahren nichts mehr von ihm gehört. Ganz im Gegensatz zu Ivo Maran, unserem GGW-Beiratsmitglied, der ebenfalls an mehreren Beiträgen des Buches beteiligt ist: Deutsch? Italienisch? Oder doch ein bisschen von beiden? Einflüsse auf Weinbau und Önologie in einer Grenzregion; außerdem: Vom Massenprodukt zum Charakterwein (Coautor Stefan Morandell); zudem: Erst ausschenken, dann zahlen – der Weinhandel auf den Jakobipreis (mit dem gleichen Coautor); Wie schmeckt der Fortschritt – Erste Weinverkostungen im 19. Jahrhundert (mit dem gleichen Coautor). 

Für mich ist das Buch eine Reise in die Vergangenheit, verbunden mit wunderbaren Erinnerungen, aber auch in die Zukunft, denn es macht Lust, den nächsten Südtirol-besuch zu planen. Zum Beispiel nach Mölten in die höchstgelegene Sektkellerei, Josef Reiterer, ein Pionier der handwerklichen Spitzensekte gibt mit seinem Beitrag prickelnde Besonderheit – die Sektproduktion in Südtirol einen Anstoß für dieses Reiseziel. Wein und Sekt, das ist keine rationale, sondern eine hochemotionale Weinkulturgeschichte. Südtirol und dieses Buch sind bestens geeignet, sich diesem Erlebnis hinzugeben. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Autoren auch kritisch die eigene Geschichte analysieren, Tacheles reden bzw. schreiben. So zum Beispiel, wenn Eduard Bernhart von Krisen, Kriege und ein Paradigmenwechsel – Die Weinwirtschaft von 1900 bis heute oder von den Sturen, Querdenkern und Pionieren im biologischen und biodynamischen Anbau schreibt. Die Autoren beherrschen die Kunst, die Leser mitzunehmen, kritisch und emotional, zu letzterem tragen die Fotos aus heutigen und vergangenen Zeiten bei. Man mag es mir nachsehen, dass ich mit besonders großem Interesse im 5. Abschnitt „Hier lebt man Wein – Forschung, Beratung, Verbände“ gestöbert habe und nochmals voller Bewunderung nachgelesen habe, wie die Branche zusammengestanden ist, um das Weinbaugebiet qualitativ nach oben zu führen. Ich kann nicht alle 42 Autoren würdigen, aber zwei Namen müssen doch noch oder nochmals erwähnt werden: Eduard Bernhart, der als Direktor des Weinkonsortiums die Gesamtverantwortung übernommen hatte sowie Christian Rainer, der es als Koordinator fertiggebracht hat, diese große Autorenschaft zu motivieren und zur rechtzeitigen Abgabe ihrer Manuskripte anzuhalten. Einen Sack Flöhe zu hüten, soll eine vergleichsweise einfache Aufgabe sein. Insgesamt ist auf 520 Seiten ein vielfältiges Spektrum des Weinbaugebiets Südtirol entstanden. Anders gewendet – egal, welche Brille man aufhat, für jeden Begeisterten vom Südtiroler Wein und Sekt ist dieses Buch sehr empfehlenswert.

Rudolf Nickenig, Remagen

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