100 Jahre OIV – Weltorganisation des Weines
Die OIV (früher das Internationale Weinamt heute die Internationale Weinorganisation) feiert in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen. Denn am 29. November 1924 wurde nach mehrjährigen Vorverhandlungen mit der Unterzeichnung eines Abkommens in Paris ein Internationales Weinamt (Office International du Vin, O.I.V.) gegründet. Aber es konnte erst nach drei Jahren seine Arbeit aufnehmen, bis – wie im Abkommen festgelegt – mindestens fünf Länder ihre Ratifizierung hinterlegt hatten. Am 5. Dezember 1927 konnte die konstituierende Sitzung abgehalten werden. Also in drei Jahren nochmals Anlass zu feiern.
Auf der Internetseite des OIV wird die Geschichte der OIV aus der eigenen Sicht beschrieben https://www.oiv.int/de/Centenary1924-2024/Geschichte:
„Während des ersten Jahrzehnts seines Bestehens, das mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endete, entwickelte das O.I.V. seine Aktivitäten in vielen verschiedenen Bereichen. Vor allem führte es zunächst eine umfangreiche und langwierige Untersuchung durch, um möglichst viele Informationen über die Bedeutung und die Charakteristika des Weinbaus in den verschiedenen Ländern zu erhalten. So konnte man sich zum ersten Mal einen Überblick über die weltweite Situation im Weinbausektor verschaffen, indem man über seriöse wirtschaftliche, statistische, rechtliche und technische Informationen in Bezug auf die produzierenden und importierenden Länder verfügte. Diese Basisinformationen, die für jede gründliche Untersuchung der gestellten Probleme unerlässlich waren, wurden insbesondere durch das O.I.V.-Bulletin verbreitet, dessen erste Ausgabe im Juni 1928 erschien.
Ein weiterer Teil der Tätigkeit des O.I.V. bestand darin, entweder technische Arbeiten anzuregen oder bereits existierende Arbeiten einem größeren Publikum bekannt zu machen. Das monatliche Organ des O.I.V. öffnete seine Spalten für alle Forscher der damaligen Zeit und es wurden die verschiedensten Themen rund um die Technik und Wissenschaft der Rebe und des Weins behandelt. Auf einer konkreteren Ebene setzte sich das O.I.V. auch für eine internationale Koordination des Handels ein. Nach mehreren Treffen, Befragungen und Konferenzen wurde am 4. Juni 1935 in Rom das erste Abkommen über die Vereinheitlichung der Methoden zur Untersuchung von Wein im internationalen Handel unterzeichnet. Die Zahl der Mitglieder stieg von sieben im Jahr 1928 auf siebzehn zehn Jahre später.“
Gerne empfehlen wir diese Seite zur weiteren Lektüre. Die OIV verschweigt allerdings bei ihrem geschichtlichen Rückblick, dass ein wesentliches Ziel bei ihrer Gründung war, den Weinkonsum anzuregen und die Prohibition zu bekämpfen. So hieß eine Sektion ihres 2. Kongresses 1928 in Barcelona: Défense du vin et lutte contre la prohibition. Léon Douarche, Direktor des OIV betonte 1929 auf dem 35. Deutschen Weinbaukongress in Offenburg: „Fünftens steht das Internationale Weinamt an der Spitze des Kampfes gegen die Prohibition und für den gesundheitlichen Nährwert des Weines. Wir meinen und können die Probe machen, dass Wein ein natürliches Gegengift, das empfehlenswerteste und wirksamste Vorbeugungsmittel gegen den Alkoholismus ist. Wir sind der Meinung, dass Alkoholismus ein Feind der Menschheit, der Wein aber der Freund des Menschen und der edelste Reichtum der Weinbauländer ist. Sechstens und zuletzt hat das Internationale Weinamt die Propaganda zu führen in der ganzen Welt, damit die Massen für den Geschmack des Weines (das ist leicht) und auch für die Möglichkeit, ihn zu genießen (das ist schwerer, solange wir in einer so teuren Zeit leben), herangebildet werden.“
Nicht erwähnt wird im geschichtlichen Rückblick der OIV auch nicht, dass 1993 auf einer OIV-Generalversammlung in San Francisco von Earnest Gallo die Gründung einer neuen OIV-Kommission angeregt wurde, um einen moderaten Weinkonsum weltweit zu promoten. Dieses Schweigen kommt nicht von ungefähr: seit langem wagt sich die OIV aufgrund ihrer Mitgliedsstruktur (Regierungen von Weinbau- und Verbraucherländer, auch der Monopolstaaten) nicht mehr offen für einen moderaten Weinkonsum einzusetzen, geschweige denn, sich nachdrücklich – wie von den Gründern gedacht – gegen die Antialkoholbewegung zu wehren. Dies ist umso bedauerlicher aufgrund der auch heute noch bestehenden Bedeutung der OIV:
Die OIV ist die einzige Regierungsorganisation für Wein auf Weltniveau. Sie setzt wissenschaftsbasierte Standards für den Weinbau. Daher sind ihre Empfehlungen auch für die Welthandelsorganisation, etwa bei Streitbeilegungsverfahren, von großer Bedeutung, hebt auch das BMEL hervor, das die deutschen Interessen in der OIV vertritt (https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/
weinbau/oiv-wein.html). Mit dem Ziel der internationalen Harmonisierung erarbeitet und verabschiedet die OIV Empfehlungen (Resolutionen) zur Begriffsbestimmung, Erzeugung, Herstellung, Verarbeitung, Nachhaltigkeit, Analyse und Kennzeichnung in den Bereichen Rebe, Wein, sonstige Getränke weinbaulichen Ursprungs wie Likörwein oder Weinbrand, Tafeltrauben, Rosinen und andere Erzeugnisse aus der Rebe. Die wirtschaftlichen und statistischen Ausarbeitungen der OIV zum internationalen Weinbau (Anbauflächen, Produktion, Handel und Konsum) sind zudem für die Mitgliedsländer eine wichtige Informationsquelle, auf deren Basis entsprechende Entscheidungen getroffen werden können.
Motor der OIV-Arbeit sind rund 600 Wissenschaftler aus aller Welt, die in den verschiedenen Expertengruppen mitarbeiten. Die Empfehlungen werden innerhalb der wissenschaftlichen Gremien ausgearbeitet und müssen von der Generalversammlung verabschiedet werden. Auch wenn die OIV nicht gesetzgeberisch tätig werden kann, sind ihre Normen und Standards für den internationalen Handel mit Wein und Weinbauerzeugnissen bedeutsam. Die EU hat sich verpflichtet, sich mit Blick auf die Rechtsetzung zu önologischen Verfahren und Analysemethoden im Weinbereich weitgehend auf die Empfehlungen der OIV zu stützen.
Rudolf Nickenig, Remagen