150 Jahre DWV
Blickt man auf die Geschichte des heutigen DWV zurück, so stößt man auf mehrere Gründungsdaten. Im September 1874 wurde der Deutsche Weinbauverein (DWV) in Trier aus der Taufe gehoben. Er wurde 1913 aufgelöst und ein Deutscher Weinbauverband (DWV) gegründet. Dieser wurde 1933 von den Nazis aufgelöst und die Weinbauvertretung in den Reichsnährstand eingegliedert. 1950 erfolgte die Wiederbegründung des heutigen DWV in Mainz. Diese wenigen Daten deuten bereits auf eine wechselvolle Vereinsgeschichte hin, an deren Aufs und Abs bereits beim letzten runden Jubiläum 1999 des DWV erinnert wurde. Die damaligen Feierlichkeiten (September 1999) fielen in eine Zeit, die geprägt war von einer Euphorie der vermeintlichen Überwindung des Ost-West-Konflikts und von der Freude über die Wiedervereinigung, auch der deutschen Winzerinnen und Winzer. Heute müssen wir uns mehr denn je bewusst sein, dass die Aufarbeitung geschichtlicher Entwicklungen von räumlichen und zeitlichen Perspektiven des Betrachters beeinflusst wird. Die aktuellen innen- und außenpolitischen Ereignisse könnten deshalb Anlass geben, die Weinbau- und Vereinsgeschichte in der NS-Zeit und den Wiederbeginn genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gewiss, auch die letzten 25 Jahre der Vereinsgeschichte, die im Fokus der Geburtstagsfeier des DWV stehen sollen, bieten ausreichend Stoff für einen Rückblick, waren sie doch in der Anfangszeit geprägt durch Hoffnungen für eine Überwindung alter Grenzen und Hoffnungen für eine friedvolle Zukunft. In den letzten Jahren drängten sich – abgesehen von den dramatischen politischen Rahmenbedingungen – weitere existentielle Themen in den Vordergrund, verbunden mit großen Herausforderungen für den deutschen und internationalen Weinbau: Umwelt- und Klimathemen. Deshalb hat der DWV sich dafür entschieden, den Fokus des Festaktes zur Feier 150 Jahre Deutscher Weinbauverband e.V. auf den Beitrag des Weinbaus zur Erhaltung der Biodiversität zu legen. DWV-Präsident Klaus Schneider und sein Generalsekretär Christian Schwörer erwarten am 20. Juni 2024 im Festsaal des Saalbaus in Neustadt prominente Gäste aus Nah und Fern, darunter die Deutsche Weinkönigin Eva Brockmann, Ministerin Daniela Schmitt, Bundesminister Cem Özdemir, OIV-Generalsekretär John Barker, AREV-Vizepräsident Aly Leonardy sowie weitere Vertreter der Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Weinbranche.
Die Idee, die Vision Adolph Blankenhorns, einen Weinbauverein mit Verbandsorgan und Kongressaktivitäten als Plattform für den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Beratung, allmählich entstehender Zulieferindustrie und Praxis zu installieren, ist auch 150 Jahre nach der Verwirklichung beeindruckend und vorbildlich zugleich. Die Folgen des Klimawandels erfordern aktuell mehr denn je diesen wissenschaftlichen und praxisbezogenen Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik.
Zurück zu den Anfängen: Auf der Gründungsversammlung im September 1874 in Trier umriss der spätere DWV-Präsident Dr. F. Armand Buhl die Gründe, warum Wissenschaftler und Weingutsbesitzer den Verein aus der Taufe hoben:
„Die deutschen Weinproducenten bedürfen nothwendig einer Vertretung, sowohl dem Publicum als auch der Reichsregierung gegenüber, von welch letzterer sie ohnehin schon öfters Unterstützung ihrer Bestrebungen verlangt haben. Und offenbar hat auch die Reichsregierung selbst ein Interesse mit Interessentenkreisen in nahe Berührung treten zu können und namentlich hier, wo es sich um einen so wichtigen Zweig der Landescultur handelt. Es hat sich gezeigt, dass die Interessen der Weinproducenten keineswegs immer zusammenfallen mit denen der übrigen Landwirthe, sie sind häufig ganz eigenartig und daher kann auch der zu gründende Verein sich nicht in den Rahmen der bestehenden landwirtschaftlichen Vereine hineinbequemen, sondern muss eine eigenartige Schöpfung darstellen. Das also steht wohl allgemein fest: Wir wollen den Verein, er soll die Interessen des Weinbaus vertreten, er soll den Weinbau auf jede mögliche Weise heben.“
Wenig bekannt, obwohl in der Schrift Nr. 181 der Gesellschaft für Geschichte des Weines nachlesbar, ist, dass der 1874 gegründete Verein zuerst nicht Deutscher Weinbauverein heißen sollte, sondern Deutscher Verein für die Production und Consumption des Naturweins. In der 1874er Satzung gab es einen Artikel, der die Mitglieder verpflichtete, „wissentlich keine fabricirten Weine in den Handel zu bringen“. In der Tat finden sich einige Hinweise, dass der Kampf für den Naturwein und gegen die Weinfabrikation ein Hauptanliegen des jungen Deutschen Weinbauvereins in seiner Gründungszeit war. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis!
Rudolf Nickenig, Remagen