Müller-Thurgau Jubiläumsjahr 2025

Im diesem Jahr jährt sich zum 175. Mal der Geburtstag des Forschers Hermann Müller-Thurgau (1850 – 1927). Zu Ehren des bedeutenden Schweizer Universalgelehrten ist 2025 in der Deutschschweiz und in der Bodenseeregion ein vielfältiges, länderübergreifendes Veranstaltungsprogramm mit Ausstellungen, Publikationen und Events geplant. 

Im diesem Jahr jährt sich zum 175. Mal der Geburtstag des Forschers Hermann Müller-Thurgau (1850 – 1927). Zu Ehren des bedeutenden Schweizer Universalgelehrten ist 2025 in der Deutschschweiz und in der Bodenseeregion ein vielfältiges, länderübergreifendes Veranstaltungsprogramm mit Ausstellungen, Publikationen und Events geplant.

Hermann Müller-Thurgau stammte aus dem thurgauischen Tägerwilen am Bodensee. Nach einer Ausbildung zum Fachlehrer für Naturwissenschaften promovierte Müller-Thurgau bei dem Pflanzenphysiologen Julius Sachs in Würzburg. Ab 1876 war er Leiter des Instituts für Pflanzenphysiologie an der Forschungsanstalt Geisenheim, ab 1888 dort Professor. 1891 wurde Müller-Thurgau in die Schweiz berufen zum Aufbau der Deutsch-Schweizerischen Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil (Kanton Zürich), als deren Direktor er von 1891 bis 1924 wirkte. Bis 1924 war Müller-Thurgau zudem Chefredakteur der Schweizerischen Zeitschrift für Obst- und Weinbau.

Mit seinen richtungweisenden Forschungen zur Physiologie der Weinrebe, über Rebkrankheiten, in der Gärtechnologie und über die Anwendung von Reinzuchthefen war er seiner Zeit weit voraus und schaffte die Grundlagen für Innovationen mit Langzeitwirkung. Große wirtschaftliche Bedeutung haben zudem die von ihm entwickelten Methoden zur alkoholfreien Verwertung von Obst- und Traubensaft. Für viele ist Müller-Thurgau vor allem der Züchter der gleichnamigen Rebsorte. 1882 formulierte er seine Zielvorstellung: „Wie werthvoll wäre es, könnte man die Vortheile zweier Trauben verbinden, unter Ausschluß der Schattenseiten? Wie wichtig könnte z. B. für manche Weinbaugegenden eine Traubensorte werden, die mit den köstlichen Eigenschaften der Rieslingtraube die sicherere und frühe­rere Reifezeit des Sylvaners vereinigte!“ Erst viel später stellte sich bei Genanalysen heraus, dass Hermann Müller-Thurgau sich bei der Elternschaft geirrt hatte: Die Vaterrebe war nicht der Silvaner, sondern die Rebsorte Madeleine Royale. Dieser produktive Irrtum tat seiner Reputation freilich keinen Abbruch und die Rebsorte Müller-Thurgau gedieh zur erfolgreichsten Rebenneuzüchtung.

100 Jahre Müller-Thurgau-Schmuggel

In diesem Zusammenhang gibt es ein zweites Jubiläum zu feiern: Im April 2025 ist es genau 100 Jahre her, dass Johann Baptist Röhrenbach (1869 – 1956), Weingutsverwalter auf dem badisch-markgräflichen Schloss Kirchberg, auf abenteuerliche Weise Reben der Neuzüchtung Müller-Thurgau aus der Schweiz besorgte und in den markgräflichen Besitzungen anpflanzte.

Röhrenbach stammte aus einer alteingesessenen Immenstaader Winzerfamilie und war von den Eigenschaften der innovativen Rebsorte und der Qualität der Weine, die er bei Besuchen in der Schweiz kennengelernt hatte, überzeugt. Er war sich sicher, den Weinbau am nördlichen Bodenseeufer mit der neuen Rebsorte verbessern zu können. Seine Vorgesetzten im Markgräflichen Rentamt Salem waren weniger begeistert und sperrten sich gegen die Neuerung. Enttäuscht äußerte Röhrenbach in einem Schreiben an seinen Arbeitgeber: „Ich habe schon gewusst, dass Herren dumm sein können, dass sie aber so dumm sein können, habe ich bisher nicht gewusst.“ Prinz Max von Baden, dem der Brief vorgelegt wurde, kommentierte in einer Randnotiz: „Ein unabhängiger Abhängiger.

Da hatte sich Röhrenbach längst dazu entschlossen, die Reben illegal zu importieren. Die Schweizer Kollegen im Schlossgut Arenenberg stellten Röhrenbach 400 Müller-Thurgau-Reben aus ihrem Versuchsweinberg zur Verfügung, doch eine legale Einfuhr über die Reichsgrenze nach Baden wäre nicht möglich gewesen. So ruderte sein Sohn Albert Röhrenbach mit dem Hagnauer Fischer Gottfried Ainser heimlich nachts über den Bodensee, um die Stecklinge abzuholen und sie, getarnt unter Fischernetzen, nach Hagnau zu bringen. Die markgräfliche Obrigkeit drohte Röhrenbach mehrfach mit Entlassung und der Müller-Thurgau durfte lediglich in der Schlossgaststätte von Kirchberg ausgeschenkt werden. Seinen Erfolgszug trat der Müller-Thurgau erst nach dem Zweiten Weltkrieg an: Er wurde zur wichtigsten Weißweinsorte am Bodensee und avancierte bis 1979 zur meistangebauten Rebsorte in Deutschland.

Wein am Bodensee 2025 – Fünf Museen, ein Projekt

Die spannende Schmuggelgeschichte nehmen die Thurgauer Museen zum Anlass, das Jahr 2025 dem Wein zu widmen. Die fünf kantonalen Museen präsentieren ein buntgefächertes Programm mit Sonderausstellungen, Spezialführungen und Vorträgen. Jeder Ort präsentiert seinen eigenen thematischen Schwerpunkt.

 

 

 

 

Ausstellung Bacchus & Co. – Wein am Bodensee im Museum für Archäologie in Frauenfeld (TG)

14. Dezember 2024 bis 11. Mai 2025

Den Auftakt zum Themenjahr Wein am Bodensee 2025 und zur Ausstellungsreihe macht das Museum für Archäologie mit der Ausstellung „Bacchus & Co. – Wein am Bodensee“. Unter der Leitung des Archäologen Urs Leuzinger werfen die Ausstellungsmacher einen Blick auf die lange Geschichte des Weins im Thurgau, die bis in die Eisenzeit (ab 800 vor Christus) zurückreicht. Die Ausstellung zeigt Funde aus dem Thurgau, aber auch Leihgaben wie die beiden Bacchus - Statuetten aus Augusta Raurica (Augst, BL) und Aventicum (Avenches, VD), die erstmals gemeinsam im Thurgau präsentiert werden. Unter den Exponaten sind Weinfässer und Amphoren, die aufgrund von Beschriftung und Form auf Anbaugebiete im heutigen Bündnerland, Italien, Spanien und sogar Palästina hinweisen und somit Spuren für den Import von Wein darstellen. Weinbau in römischer Zeit wurde für den Thurgau zwar angenommen – bisher fehlte freilich der Nachweis. Erst ein 2024 abgeschlossenes Forschungsprojekt, bei dem Bohrkerne aus den kleinen Thurgauer Seen entnommen wurden, brachte neue Erkenntnisse. In den Bohrkernen des Hüttwilersees wurde eine Vielzahl von Pollen gefunden, die von Weinreben stammen, und deren Alter auf das 2. Jahrhundert nach Christus datiert werden konnte.

Museum für Archäologie
Freie Strasse 24
8510 Frauenfeld
www.archaeologiemuseum.tg.ch

 

Weitere Ausstellungen:

Das Ittinger Museum in Warth zeigt ab 6. April 2025 die Ausstellung „Wein und Wohlstand“: Bereits am Ende des Mittelalters betrieben die Ittinger Kartäuser Weinbau mit eigener Küferei. Im 17. und im 18. Jahrhundert wurde das Weingeschäft kontinuierlich weiterentwickelt: Zunehmend wurden die Traubenernten von Produzenten der Umgebung angekauft und der Weingroßhandel ließ Ittingen zum wohlhabendsten Kloster des Thurgaus aufsteigen. Im neu gestalteten ehemaligen Vorratskeller können sich Besucherinnen und Besucher über das Weingeschäft zur Zeit der Kartäuser und darüber hinaus informieren.

Am 1. Mai 2025 eröffnet das Napoleonmuseum Arenenberg die Ausstellung „2000 Jahre Weinkultur auf dem Arenenberg“.

Das Historische Museum Thurgau in Frauenfeld zeigt unter der Überschrift „Reben & Beben“, wie erschütternde Ereignisse die Region geformt, ihre Menschen herausgefordert und die Geschichte des Thurgaus geprägt haben. Hier geht es nicht nur – aber auch – um die Umbrüche im Weinbau im 19. Jahrhundert.

Nähere Informationen erhalten Sie unter www.museen.tg.ch

Garten und Wein – Grünthema 2025 der Bodenseegärten

Abgerundet werden die Angebote im Müller-Thurgau-Jubiläumsjahr durch Aktivitäten rund um den Bodensee. Namhafte Weingüter, Ausflugsziele und Kulturinstitutionen sind genauso mit von der Partie wie der Verein Bodenseegärten. Unter dem Stichwort „Gärten und Wein“ gibt das Netzwerk eine Übersichtskarte heraus, auf der die über 50 beteiligten öffentlichen und privaten Gärten verzeichnet sind. So können Sie die Gartenkultur am Bodensee und die facettenreichen Weingärten der Vierländerregion entdecken und eine einzigartige Zeitreise am Bodensee erleben.

Mehr Informationen unter www.bodenseegaerten-wein.com

 

Erlebnis Müller-Thurgau – Ein Verein für die Organisation des Müller-Thurgau Jubiläums

Eine weitere Initiative ist der Verein Erlebnis Müller-Thurgau, der eigens für das Jubiläumsjahr gegründet wurde. Hierfür hat sich die Schweizer Müller-Thurgau-Stiftung mit Lehr- und Forschungseinrichtungen (Agroscope, Weinbauzentrum Wädenswil, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), der Schweizer Zeitschrift Obst+Wein, Museen sowie mit den Branchenverbänden des Weinbaus und den Tourismusverbänden zusammengetan, um das Schaffen und Wirken von Müller-Thurgau zu würdigen und die Bedeutung der Forschungen von Müller-Thurgau einer breiten Öffentlichkeit auf verständliche Weise zugänglich zu machen.

Hermann Müller-Thurgau war es ein Anliegen, mit seiner Forschung Wirkung zu erzielen und zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Gesellschaft beizutragen. Ganz im Sinne von Hermann Müller-Thurgau geht es den Veranstaltern im Jubiläumsjahr deshalb nicht nur um Rückblicke, sondern auch darum, wie die Pionierleistungen Müller-Thurgaus von seinen Nachfolgern aufgegriffen wurden, bis in die Gegenwart wirken und Impulse für eine nachhaltige Zukunft im Obst- und Weinbau liefern. 

Verteilt über das ganze Jahr 2025 ist in 24 Teilprojekten ein bunter Reigen von Veranstaltungen, Ausstellungen und Aktivitäten geplant. Wir stellen nachfolgend einige vor:

  • Historischer Rebenschmuggel: Diesem Ereignis soll im April auf verschiedene Weise gedacht und die spektakuläre Schmuggelfahrt über den See nachgestellt werden. 
  • Sonderausstellungen im Weinbaumuseum Au-Wädenswil und im Napoleonmuseum Arenenberg: Die Ausstellung würdigt das Lebenswerk von Hermann Müller-Thurgau und schafft ein Bewusstsein für die Bedeutung seines Vermächtnisses bis in die Gegenwart.
  • Dokumentarfilm „Wissen trägt Früchte“: Basierend auf Hermann Müller-Thurgaus Biografie geht der Dokumentarfilm der Frage nach, wie sehr dessen Wirken bis heute nachhallt und wie er seine Nachfolger inspiriert hat. Nicht zuletzt wird auch die Frage vertieft, wie es zur erstaunlichen Verwechslung der Kreuzungspartner beim Müller-Thurgau gekommen ist. Hier schlummert ein wahrer Weinkrimi! 
  • Sondernummer Obst+Wein: Als Festschrift wird sie über die Aktivitäten des Jubiläumsjahres berichten, aber auch spannende Schlaglichter auf aktuelle Fragen im Bereich der Spezialkulturen werfen. Sie bildet den publizistischen Höhepunkt des Jubiläums. 
  • Wädenswiler Jahrbuch 2025: In einem Kapitel soll auf die Zeit eingegangen werden, als Hermann Müller-Thurgau in Wädenswil die Forschungsanstalt leitete. Im Zentrum steht der Mensch Müller-Thurgau, der nicht nur die Wissenschaft inspiriert, sondern auch viel für die Bevölkerung und ihr Wohlergehen beigetragen hat. 
  • Artikelserie „Inspiration Müller-Thurgau“: Quer durch das Jubiläumsjahr 2025 soll in jeder Ausgabe der Obst+Wein mindestens ein Forschungsschwerpunkt bzw. ein Forschungsgebiet aufgenommen und in einer Gegenüberstellung von damals vs. heute aufgearbeitet werden. Damit können Bezüge geschaffen werden, wie sich ein Forschungsthema entwickelt und im jeweiligen Licht der Zeit darstellt. 
  • Urrebe des Müller-Thurgau neu gezüchtet: Unweit des Weinbauzentrums Wädenswil steht er noch: Der Urstock mit der Nummer 58. Er bildet den Ausgangspunkt einer unvergleichlichen Erfolgsstory. Aus diesem Stock wurden erneut Stecklinge produziert, die nun für die Winzer zur Verfügung stehen. 
  • Velotouren auf Müller-Thurgaus Spuren: Digitale Info-Points an verschiedenen Orten entlang des Bodenseeufers vermitteln das Schaffen und Wirken von Hermann Müller-Thurgau, der in der Region seine Kindheit verbrachte. 
  • Das Große Müller-Thurgau-Fest: Erlebnis- und Jubiläumsfest am 24. Oktober mit Festakt und Verleihung des Müller-Thurgau-Innovationspreises. 

 

Das ausführliche Programm zum Müller-Thurgau Jubiläumsjahr 2025 können Sie unter der Rubrik „Kalender“ auf www.erlebnismuellerthurgau.ch einsehen.

 

Bildquellen:
"Ausstellung Bacchus & Co.": Amt für Archäologie Thurgau, Urs Leuzinger
Collage: Christine Krämer

 

Christine Krämer, Stuttgart

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