Rückblick auf die Jahrestagung in Regensburg vom 21. bis 23. April 2023
Frühjahrstagung beim Donau-Wein in Regensburg
Wir wissen es nicht, aber es kann durchaus sein, dass sich Mitglieder bei der ersten Bekanntgabe des Tagungsortes Regensburg für die Frühjahresveranstaltung 2023 die Frage stellten, was denn die historische Stadt an der Donau mit Wein zu tun hat. Aber vor Ort stellte sich dann schnell heraus: Jede Menge! Wobei es bei den drei Tagen in Regensburg nicht nur um den dortigen, regional durchaus bekannten, traditionsreichen Weinbau ging, der schon Gegenstand von einigen Weinbüchern war und dessen Ergebnisse im Rahmen einer bemerkenswerten Verkostung mit Weinen aus sieben Kellern vorgestellt wurden. Nein, die über 60 nach Regensburg gereisten Mitglieder bekamen ausführliche Informationen über die Geschichte des einst sehr bedeutenden Baierweines!
Der Freitagabend: Geschichte Regensburgs im Großen Runtingersaal und Empfang der Stadt Regensburg im Historischen Alten Rathaus
Los ging es am Freitagabend im Großen Runtingersaal im Runtingerhaus. Das Gebäude ist mit dem Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen frühgotischen Treppengiebelhaus eines der ältesten und besterhaltenen Patrizier-Häuser des Regensburger Patriziats. Ein würdiger Platz für die Tagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines (GGW). Die rund 60 Teilnehmer an der Tagung wurden offiziell begrüßt durch Ludwig Artinger, Bürgermeister der Stadt Regensburg in Vertretung der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Präsident der GGW, und Dr. Bernhard Lübbers, Vorstandsmitglied des Historischen Vereins Oberpfalz in Vertretung des Vorsitzenden Dr. Thomas Feuerer, begrüßten als Veranstalter die Teilnehmer und Gäste der Tagung. Dr. Heinrich Wanderwitz, Direktor a. D. des Stadtarchivs Regensburg, referierte kenntnisreich über „Regensburg im Mittelalter: Eine europäische Handels- und Weinstadt“. Ein weiterer Höhepunkt war der Empfang der Stadt Regensburg im Historischen Alten Rathaus, der die erste Gelegenheit bot, den raren Regensburger Landwein zu verkosten.
Mitgliederversammlung am Samstagmorgen, Vorträge zur Geschichte des Baierweins und festliche Weinprobe mit bemerkenswerten Baierweinen
Am Samstagmorgen fand die Mitgliederversammlung der Gesellschaft statt. Für den Nachmittag sah das Programm zwei Referenten vor: Prof. Dr. Andreas O. Weber zum Thema „Altbayern und der Wein im Mittelalter“ sowie Wolfgang Rüby, Vorsitzender der Baierweingesellschaft, zum Thema „Weinbau in Altbayern – eine Renaissance?“ Wegen Erkrankung von Herrn Rüby musste sein Vortrag entfallen, aber er hat uns von seinen Ausführungen dankenswerterweise eine Kurzfassung zur Verfügung gestellt. Die Lücke füllte Präsident Weber mit einem zweiten Vortrag zum Thema „Bayern Wandel vom Wein- zum Bierland“. Beide Vorträge wurden von den Teilnehmern der Tagung mit großem Interesse verfolgt und mit viel Beifall aufgenommen.
Das Potenzial, das in diesem Gebiet steckt, wurde bei der Regensburger Tagung durch eine Verkostung von sieben Weinen, alle durchgegoren und ungeschminkt, deutlich. Ausgewählt hatte die Gewächse der ambitionierte Wein-Historiker Theodor Häußler (Verfasser von zwei Büchern über die Weingeschichte der Region). Vorgestellt wurden sie vom Berichterstatter. Mit dabei war auch ein Bacchus aus dem Weingut, das 74 Jahre zuvor von einem Mann gegründet wurde, der an der Donau fast Legendencharakter hat. Der Mediziner Dr. Hans Riess (1906–1987) pflanzte 1949 einen Hektar mit Müller-Thurgau, wurde damit zum „Wachküsser“ des damals eingeschlafenen Weinbaus an der Donau und konnte seinen Wein einige Jahre später sogar an den „Bayerischen Hof“ in München liefern. Seine Tochter Elisabeth Gahleitner und ihr in Österreich gebürtiger Gatte Erich Gahleitner (beide ebenfalls Mediziner) ließen es sich nicht nehmen, den Betrieb (heute 0,66 Hektar) weiterzuführen. Das Ehepaar war Ehrengast bei dem festlichen Abend in der Regensburger Gaststätte „Hacker-Pschorr“. Denn ohne einen Vorreiter wie Dr. Riess hätte es vielleicht nie einen Anlass für die GGW gegeben, eine Tagung in Regensburg durchzuführen. Bekannt war von dem Röntgenarzt, dass er seine Patienten morgens um 5 Uhr in die Praxis bestellte, damit er sich schon am Vormittag im Weinberg tummeln konnte.
Ausflug ins Baierwein-Museum am Sonntag
Die Geschichte dieses Mini-Weinbaugebietes wurde am Sonntag beim Besuch im dortigen Baier-Wein-Museum mit angrenzendem, gepflegten Wein- und Lehrgarten (bestockt mit Elbling, Müller-Thurgau, Silvaner und Kerner) in der Ortschaft Bach an der Donau im Osten von Regensburg richtig lebendig. Das Museum befindet sich in einem historischen Presshaus aus dem 14. Jahrhundert, einer Blütezeit des Weinbaus im alten Bayern. Es wurde 1998 auch für Besucher und Veranstaltungen eröffnet. Eindrucksvoller Bestandteil ist eine Baumpresse aus dem Jahr 1615, die einige Jahrzehnte zuvor noch in Betrieb war. Werkzeuge zur Weinbergarbeit und zur Kellerwirtschaft konnten von den Mitgliedern in Augenschein genommen werden. Auch der aktuelle Jahrgang 2022, eingebracht von einem tüchtigen Förderverein (300 Mitglieder), konnte verkostet werden.
Zu erfahren war, dass über das Jahr zahlreiche weininteressierte Laien das Angebot, die Arbeiten im Weinberg vom Rebschnitt im Frühjahr bis hin zur Ernte zu lernen, gern annehmen. Höhepunkte des Jahres sind außerdem ein Sommerfest im Juli und ein Federweißenfest im September mit über tausend Besuchern.
Fast unbemerkt ruhen hinter Glas zwei Flaschen Regensburger Landwein aus dem Jahrgang 1910, die einst im Raritätenkeller des Pfälzer Weingutes Dr. von Bassermann-Jordan lagen. Der Inhalt einer der beiden Flaschen entpuppte sich vor rund 20 Jahren nach der Erinnerung des Berichterstatters noch als richtig gut. Die Frage, wie ein Regensburger Wein in einen Pfälzer Keller kam, ist leicht erklärt. Schließlich war die Wein-Pfalz über einen sehr langen Zeitraum in unterschiedlicher Konstellation bereits im 18. Jahrhundert hauptsächlich Bestandteil von Bayern, ehe die Alliierten 1946 die endgültige Trennung verfügten. Und Friedrich von Bassermann-Jordan (1872–1959) hatte eine Reihe von Ämtern inne, unter anderem war er ab 1917 Präsident des Bayerischen Weinbauverbandes.
Via Förderverein Museum und durch die 2019 gegründete Baierwein-Gesellschaft, die eine Vernetzung von Winzern und Weinfans im restlichen Altbayern (Bayerischer Wald, Isar, Inn, am Chiemsee, Tegernsee und Ammersee, um Landshut, im Großraum München) vornahm, wuchs die Rebfläche in verschiedenen bayerischen Regionen inzwischen auf insgesamt wohl deutlich über 30 Hektar – mehr als an der Donau (etwa fünf Hektar). Wie es hier längerfristig weitergeht, bleibt spannend. Zwar gibt es rund 20 Aktive im Weinbau, darunter mit dem Regensburger Unternehmer Oswald Zitzelsberger neben Dr. Riess/Gahleitner einen sehr aktiven Bio-Winzer, der seine diversen Sorten sogar über den örtlichen Handel und die Gastronomie verkauft. Aber von sechs Weinstuben mit Eigenbau haben in den letzten Jahren aus Altersgründen vier zugemacht…
Rudolf Knoll
Fotos: Dr. Adolf Suchy