Jahrestagung der GGW vom 25.-29. Mai 2022 in Retz – Nachlese
Tagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines vom 25. bis 29. Mai 2022
Die rund fünfzig Teilnehmer der diesjährigen Tagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines in Retz (Weinviertel Österreich) erlebten ein abwechslungsreiches Programm, das ihnen in Theorie und Praxis die Weinkulturgeschichte Niederösterreichs und in den östlichen Nachbarregionen näher brachte. Der Tagungsort Retz an der Grenze zwischen dem Weinviertel und Mähren war für eine überregionale Thematik bestens geeignet.
Führung durch Stadt und Kellerwelt Retz, Festvortrag von Prof. Dr. Erich Landsteiner und Spitzenweine aus Mähren
Nach der Mitgliederversammlung am Donnerstagvormittag (das Protokoll erhalten unsere Mitglieder mit der Mitteilung 2/2022) startete die Tagung am Nachmittag mit einer Stadtführung. Die hervorragend restaurierten Bürgerhäuser erinnern an große Weinhandelszeiten der Stadt. Es schloss sich ein Besuch der kilometerlangen unterirdischen Kellerwelt an, die für jeden Weinfreund ein Erlebnis ist. Von da ging es direkt in den historischen Rathaussaal von Retz, wo die Tagungsteilnehmer von Bürgermeister Stefan Lang begrüßt wurden. Anschließend führte Prof. Dr. Erich Landsteiner, Lehrstuhlinhaber am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien und Winzer in Retz, mit seinem Festvortrag in die Geschichte des Weinbaus in Retz ein. Die Zuhörer erhielten einen Überblick über die historischen Rahmenbedingungen und grundlegenden Entwicklungstendenzen des Weinbaus im Retzer Raum vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Schwerpunkt war insbesondere der Wandel in der Besitzstruktur hin zu mehr bäuerlichem Rebbesitz seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der nicht zuletzt in den in dieser Zeit entstandenen Kellergassen seinen Ausdruck findet.
Am Abend gab es Spitzenweine aus dem mährischen Nachbargebiet zu verkosten, die vom tschechischen Weinbaupräsidenten Martin Chlad und seinem Geschäftsführer Martin Pucek präsentiert wurden.
Symposium zur Weingeschichte in Niederösterreich und in den Nachbarregionen in Tschechien, Rumänien und Ungarn
Am folgenden Tag gewannen die Tagungsteilnehmer im Rahmen eines Symposiums weitere Einblicke in die Weinkulturgeschichte der Region: Der Präsident der Gesellschaft für Geschichte des Weines, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, beleuchtete die Rolle der bayerischen Klöster und Bistümer als Förderer der Weinkultur im österreichischen Donauraum im Mittelalter und gab in einem zweiten Vortrag eine Übersicht über deutschsprachige Siedler und Minderheiten im südeuropäischen Weinbau am Beispiel der Siebenbürger Sachsen und der Donauschwaben. Dr. Martin Markel, Assistenzprofessor für Geschichte an der Masaryk-Universität Brno, ebenfalls praktizierender Winzer, referierte über bedeutsame Aspekte der Weinbaugeschichte in Mähren während der frühen Neuzeit und trug neue Forschungsergebnisse vor. Im Fokus standen die Formierung des Terroirbegriffs und die Entstehung von Weinbergsklassifikationen, aber auch die gesellschaftlich-ökonomische Dimension im mährischen Weinbau und insbesondere der Prozess der Verbäuerlichung (Weinberg als Raum untertäniger Freiheit). Dr. Bernd Müller-Kaller stellte in seinem Vortrag über den Weinbau der Fürsten Liechtenstein in Mähren in der Frühen Neuzeit die grundherrschaftliche Organisation in den Vordergrund. Vorbildcharakter für den deutschen Weinbau können zwei vorgestellte Projekte haben: Das digitale Forschungsprojekt „Klosterhöfe in der Wachau“ am Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit (IMAREAL), ein kulturwissenschaftliches Forschungsinstitut der Universität Salzburg mit Standort Krems/Donau, präsentiert von Mag. Dr. Elisabeth Gruber und Mag. Dr. Thomas Kühtreiber. Die Klosterhöfe stellen für die Wachau prägende Gebäude dar. Das Projektteam repertorisiert die Klosterhöfe, analysiert die jeweilige schriftliche Überlieferung und überführt die Ergebnisse zusammen mit einer baugeschichtlichen Untersuchung in eine Online-Datenbank, die der künftigen Forschung zur Verfügung stehen wird. Das zweite ist das umfassende Buchprojekt „Wein in Österreich – die Geschichte“, erschienen 2019, dessen Konzeption vom Herausgeber Prof. Dr. Vocelka, Präsident des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit, vorgestellt wurde.
Exkursion nach Mähren
Eine weinfachliche Exkursion in die Weinregion Znaim/Znojmo in Südmähren führte die Teilnehmer am Samstag zunächst zur historischen Weinlage Lampelberg. Der anschließende Besuch des Weinguts Lahofer vermittelte einen Einblick in die Weinpalette eines großen Weinbaubetriebs, der nicht zuletzt durch die außergewöhnliche Architektur der Vinothek beeindruckte. Nach dem Mittagessen ging es zum Weingut der Familie Markel, wo bei schönstem Wetter im Garten die spannenden Weine in privater und herzlicher Atmosphäre verkostet wurden. Der Besuch des historischen Zentrums der alten Weinstadt Znaim rundete die Tagung ab.
Unser herzlicher Dank gilt allen Referenten und insbesondere Herrn Prof. Dr. Erich Landsteiner und Herrn Ph. Dr. Martin Markel für ihr Engagement bei der Organisation sowie Herrn Martin Chlad und Herrn Martin Pucek für die Weinprobe am Donnerstagabend.