Tyrell, Werner (1916-2001)
Nach Abitur 1934 Eintritt in die Wehrmacht, im 2. Weltkrieg Major im Generalstab. 1947 Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft und Einheirat in das Weingut Karthäuserhof in Trier-Eitelsbach. Danach anderthalb Jahre als Gasthörer an der Lehr- und Forschungsanstalt Geisenheim. Den Weinbaubetrieb mit 18 ha Rebfläche modernisierte er unter Wahrung der bisherigen Gutstradition.
Neben der Leitung des Gesamtbetriebes übernahm er bald Führungspositionen im Berufsstand. 1949 wurde er Vorsitzender des Kreisbauern- und Winzerverbandes Trier, 1950 Vorsitzender der damaligen Arbeitsgemeinschaft der Weinbauverbände Mosel-Saar-Ruwer. Durch seine Bemühungen kam es zur Gründung des Weinbauverbandes, den er 14 Jahre führte. Bei den frühen Beratungen des neuen Weingesetzes und Weinwirtschaftsgesetzes hat er die Interessen des Gebietes nachhaltig vertreten.
1964 erfolgte seine Wahl zum Präsidenten des Deutschen Weinbauverbandes, ein Amt, das er 16 Jahre bis 1980 ausübte. Nicht immer zur Freude der Mosel-Winzer, die ihn 1968 bei einer Winzerversammlung nicht nur auspfiffen, sondern körperlich angriffen und verletzten. Sein preußisches Auftreten war in Winzerkreisen wenig geschätzt, auch wenn sein Wissen und sein Verhandlungsgeschick auf dem politischen Parkett in Bonn, Brüssel oder Paris anerkannt waren. Sein Name wird unter anderem mit dem 1971er Weingesetz eng verbunden bleiben. Das DWV-Präsidentenamt brachte weitere Aufgaben mit sich. So war er u.a. stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Deutschen Weininstituts, Delegierter beim Internationalen Weinamt (OIV) in Paris, Mitglied des Beratenden Ausschusses für Wein bei der EG-Kommission. Sein erfolgreiches Engagement für den deutschen Weinbau und für den Berufsstand führte bereits während seiner Amtszeit zu vielen Ehrungen.
Aber auch Persönlichkeiten der Weinkultur können tief fallen und ihr gesamtes Lebenswerk zunichtemachen, wenn sie gegen gesetzliche oder moralische Regeln verstoßen. So geschah es mit Werner Tyrell, der als Inhaber eines VdP-Weingutes den Deutschen Weinbauverband mit hohen moralischen Ansprüchen geführt hatte. Als Weinkontrolle und Staatsanwaltschaft Anfang der achtziger Jahre die verbreitete Praxis der ungesetzlichen Weinverbesserung flächendeckend untersuchten, geriet auch sein Weingut, der „Karthäuserhof“, ins Visier der Ermittler. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mainz hielt es aufgrund der Ermittlungen für erwiesen, dass eine große Menge seiner Prädikatsweine nicht verkehrsfähig gewesen waren, da sie mit Saccharose versetzt worden seien. Das Gericht verurteilte Tyrell im Jahr 1984 wegen fortgesetzten Betruges über einen Zeitraum von zehn Jahren zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zu einer hohen Geldstrafe.
Mit zeitlichem Abstand stellt sich die Frage, wurde mit seinem Fehlverhalten alles ausgelöscht, was er vorher für die Branche geleistet hatte und muss man seine früheren Leistungen im Rückspiegel anders bewerten? Sein Sohn Christoph hatte es jedenfalls geschafft, unter schwierigsten Rahmenbedingungen den „Karthäuserhof“ wieder in die Spitzengruppe der deutschen Weingüter zurückzuführen. Die Weinskandale der 1980er Jahre, die Prädikatisierung, die Germanisierung, der Gykolskandal führten zu einer tiefen Vertrauenskrise in deutsche Weine, die lange nachwirkte, aber auch ein neues Qualitätsdenken in die Branche brachte.