Reh-Gartner, Annegret (1954 – 2016)

Annegret REH-GARTNER, Weingutsleiterin

* 10.10.1954 in Bernkastel-Kues

† 3.10.2016 in Trier

Vater: Günter Reh (1928 – 2014), Kaufmann, Weingutsbesitzer

Mutter: Käthi Reh geb. Stelten (1929 – 2012)

Geschwister: Katharina Reh-Tessmann, Carl Reh, Nick Reh und Eva Reh-Siddle

⚭ 1988 Gerhard Gartner (1939 – 2019), Spitzengastronom, Zwei-Sterne-Koch in Aachen

 

Annegret Reh-Gartner entstammte der Leiwener Weinhändlerfamilie Reh. Nach dem Gymnasium in Trier führte sie ihre Vorliebe für Sprachen für zwei Jahre an das English College in Montreux, anschließend arbeitete R.-G. in der Marketingabteilung bei Nestlé und besuchte von 1973 bis 1977 die École Lemania in Lausanne. Von 1977 bis 1979 war sie bei einer Grundstücksverwaltung in Krefeld angestellt.

Als ihr Vater Günther Reh 1978 das traditionsreiche Weingut Reichsgraf von Kesselstatt erwarb, begann sie sich für den Weinbau zu interessieren. Sie absolvierte 1979 bis 1981 Praktika bei den Weingütern Wegeler, Schloss Reinhartshausen und Deinhard, arbeitete im Marketing und Verkauf für das Weingut Pieroth in Chicago und ab 1982 im Weingut Reichsgraf von Kesselstatt.

1983 übernahm sie die Geschäftsführung des Weinguts. Anfangs musste sie gegen Widerstände und Vorurteile kämpfen, denn dass eine junge Frau ein solches Traditionsweingut führte, war in den 1980er Jahren noch eine Ausnahme.

Der Betrieb setzte sich aus vier vormaligen Trierer Klosterweingütern mit berühmten Weinlagen an Mosel, Saar und Ruwer zusammen. Ein wichtiger Schritt war die konsequente Verkleinerung auf unter 50 Hektar. R.-G. stieß weniger günstig gelegene Parzellen ab, um die Qualität zu steigern und sich auf die Spitzenlagen zu konzentrieren, darunter die vier Hektar umfassende Monopollage Josephshöfer, ein großer Anteil am Scharzhofberg sowie Parzellen in den besten Lagen der Mittelmosel wie Bernkasteler Doctor, Brauneberger Juffer Sonnenuhr, Wehlener Sonnenuhr und Piesporter Goldtröpfchen oder im Kaseler Nies‘chen an der Ruwer. R.-G. setzte auf Spontanvergärung und schon früh legte sie ein besonderes Augenmerk auf trockene Weine – sie war eine der ersten, die es wagte, an der Mosel Große Gewächse abzufüllen. Überhaupt waren ihre Weine stets großartige Speisenbegleiter. 2003 war es R.-G., die in einem Grundsatzverfahren die Verwendung der Geschmacksangabe „feinherb“ auf dem Etikett erstritt. Sie verwendete die Angabe seit 1998 für Rieslinge, deren moderate Restsüße durch feine Säure abgepuffert war und die einem charakteristischen Geschmacksbild entsprachen. Das Urteil blieb zwar weinrechtlich umstritten, doch der Begriff „feinherb“ etablierte sich. 

Ihr konsequentes Qualitätsstreben wurde belohnt mit der Aufnahme des Weinguts in den Großen Ring (2005) und in den VDP (2005). R.-G. hatte 1999 den Betriebssitz aus dem barocken Palais Kesselstatt in Trier nach Schloss Marienlay in Morscheid verlegt, um Büro und Produktion an einem Ort zusammenzuführen und Kunden besser betreuen zu können. Das 2016 neu errichtete Kelterhaus konnte sie noch planen. 

R.-G. war eine engagierte Botschafterin für den deutschen Riesling und trug erheblich zum Ansehen des Deutschen Weins in der Welt bei. Von Anfang an hatte sie auf den Export gesetzt, und das in einer Zeit, als es um die Reputation des Moselweins nicht zum Besten stand. Ihre internationalen Kontakte, ihre Reisefreudigkeit und ihre Sprachkenntnisse halfen dabei, vor allem aber überzeugte sie durch ihr gewinnendes Wesen, ihre liebenswürdige Art und ihre positive Ausstrahlung. R.-G. leitete das Weingut Reichsgraf von Kesselstatt, das sich im mehrheitlichen Besitz der Schloss Wachenheim AG befindet, mit Weitsicht und pflegte einen ausgesprochen kooperativen Führungsstil. Sie konnte stets zuhören und scheute sich nicht, Verantwortung in die Hände jüngerer Mitarbeiter zu legen. Sie erlag im Oktober 2016 einem schweren Krebsleiden. 

 

Auszeichnungen:

Winzerin des Jahres 1989 und 2011, Nominierung 2001 und 2005.

 

Quellen

  • Auskünfte von Katharina Reh-Tessmann
  • Persönlich bekannt
  • Nachrufe u. a. in Falstaff, im Wine Spectator und von Jancis Robinson.
  • Pigott, Stuart et al.: Wein spricht Deutsch, Frankfurt am Main 2007.
  • Koch, Hans-Jörg: „Feinherb“-Prozess beendet – was nun? In: Der Deutsche Weinbau 9/2003, S. 36/37.
  • Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung der Familie Riede

 

Christine Krämer, Stuttgart, Oktober 2024