Fraas, Oscar von (1824–1897)

Oscar von Fraas – Pfarrer, Geologe, Paläontologe, Leiter des königl. Naturalienkabinetts in Stuttgart, Vorstand der Gesellschaft für die Weinverbesserung in Württemberg, Dozent für Weinbau an der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim 

* 17.1.1824 in Lorch;
† 22.11.1897 in Stuttgart;
Vater: Christoph Friedrich F. (1791–1861), Pfarrer in Laufen an der Eyach, Dekan in Balingen
Mutter: Ernestine geb. Neuffer (1802–1868), Tochter des Kameralverwalters Martin Neuffer in Lorch und der Oberamtmanns-Tochter Friederike Pistorius
⚭ 1) Balingen 1850 mit Fanny geb. Sayle aus Leutkirch (1827–1864), 2) Leonberg 1868 mit Anna geb. Theurer aus Leonberg (1837–1917)
7 Kinder aus 1), 6 Kinder aus 2)

 

F. wuchs in Lorch auf und besuchte die Lateinschule in Göppingen. Nach dem Landexamen folgte das vierjährige Seminar in Blaubeuren. Damit war sein Werdegang im protestantischen Milieu Württembergs quasi vorgezeichnet, obwohl sein Interesse vielmehr den Naturwissenschaften galt: F. studierte Theologie am Tübinger Stift, legte 1845 das Pfarramtsexamen ab, kam als Vikar nach Balingen und Leutkirch und nahm dann eine Pfarrstelle in Laufen a. d. Eyach an. Neben dem Theologiestudium hatte F. Vorlesungen des Mineralogen F. A. Quenstedt (1809–1889) gehört. Mehrere Veröffentlichungen machten ihn in naturwissenschaftlichen Kreisen bekannt, 1851 wurde er aufgrund einer vergleichenden paläogeographischen Arbeit über den schwäbischen, französischen und englischen Jura in Würzburg promoviert.

1854 bot sich F. die Gelegenheit, im Kgl. Naturalienkabinett in Stuttgart als Hilfskraft zu arbeiten. 1856 erhielt er, verknüpft mit dem Professorentitel, die Verantwortung für die paläontologische Sammlung. Sein Schwerpunkt waren fossile Wirbeltiere. Doch er grub nicht nur Saurier aus, sondern sicherte auch die ersten Spuren eiszeitlicher Menschen in der Region: Mit Grabungen im Bereich der Höhlen des Lonetals begründete F. die wissenschaftliche Erforschung des Paläolithikums in Südwestdeutschland. F. wirkte maßgeblich bei der geologischen Landesaufnahme mit, erarbeitete eine geognostische Profilierung sämtlicher Eisenbahnlinien in Württemberg und legte Konzepte zur Albwasserversorgung und zur Trinkwasserversorgung in Stuttgart vor.

F. beschäftigte sich zudem intensiv mit dem Weinbau seiner Zeit und bewirtschaftete in Stuttgart einen eigenen Weinberg. Seine Geologischen Wandtafeln für den Anschauungs-Unterricht leisteten nicht zuletzt einen wichtigen Beitrag, um den Zusammenhang zwischen Weinqualität und Bodentyp zu verstehen.

Im Frühjahr 1875 unternahm F. eine dreimonatige geologische Forschungsreise in den Libanon auf Einladung von Rustem Pasha, Gouverneur des Mutasarrifats des Berges Libanon. Hieraus resultierte neben vielen Forschungsergebnissen eine umfangreiche Beschreibung des Weinbaus im Libanon. Nach seiner Rückkehr errichtete F. in seinem Weinberg in der Lage Hühnerdieb oberhalb des Eugensplatzes ein kleines Landhaus, das er in Erinnerung an seine Reise Villa Libanon nannte und 1883 zum Wohnsitz umbaute. Die Villa wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, heute erinnern die Fraasstraße und die Libanonstraße, die sich durch den gesamten Stuttgarter Osten zieht, an den Naturforscher.

Von 1876 bis 1891 stand F. der Gesellschaft für die Weinverbesserung in Württemberg vor.

1876 zeichnete er als Herausgeber für die 2. Auflage von Dornfelds Weinbauschule verantwortlich. Die Kapitel über Lage und Boden sowie über die Rebsorten bearbeitete F. hierfür völlig neu. F. nahm regelmäßig an den Weinbaukongressen teil und beteiligte sich mit Fachbeiträgen. F. war einer der ersten Geologen moderner Prägung. Er erkannte das Zusammenspiel von Klima, Geländegestalt und Boden als wesentliche Faktoren für die Rebkultur und setzte sich wissenschaftlich damit auseinander. F. beschäftigte sich zudem mit der Frage, wie Rebsorten sich an unterschiedliche Standorte anpassten, wobei Darwins Theorie von der Veränderlichkeit der Species Einfluss auf seine Überlegungen hatte.

Mit seiner Argumentation lag F. allerdings nicht immer richtig – so schloss er bei einem Vortrag beim Weinbaukongress in Heilbronn 1881 von der guten Frostresistenz des Rieslings darauf, dass die Sorte auch gegen die Reblaus resistent sein würde, was bekanntermaßen nicht der Fall war.

F. vermochte sein Wissen in Vorträgen und Publikationen hervorragend zu vermitteln. Akademisch lehrte er indessen nur in einem Fachgebiet: Von 1882 bis 1892 war F. als Dozent für das Fach Weinbau an der Landw. Akademie Hohenheim verantwortlich.

F. war nicht nur passionierter Weinliebhaber, sondern auch ein herausragender Weinkenner weit über den schwäbischen Horizont hinaus. Die in seinen Reiseberichten enthaltenen Schilderungen über den Weinbau im Libanon und in Syrien, Griechenland und Spanien wurden stark rezipiert. Sie flossen bspw. ein in Wilhelm von Hamms Weinbuch, ein umfassendes Kompendium, das den Stand des Weinbaus in allen Weinbauregionen der Welt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wiedergibt.

F. engagierte sich in vielfältiger Weise, er war u.a. Mitglied der Leopoldina, Gründer und langjähriger Vorsitzender der anthropologischen Gesellschaft Württemberg, Vorstand im Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg sowie zeitweise Gemeinderat in Stuttgart und Vorstand im Gewerbeverein.

 

Ehrungen:

Anlässlich seiner Pensionierung 1891 Erhebung in den erblichen Adelsstand

Dr. h.c. der Universität Tübingen

Träger des Olga-Ordens

 

Veröffentlichungen:

F.'s wissenschaftliches Werk umfasst über 200 Publikationen mit Schwerpunkt auf Geologie, Paläontologie, Speläologie und Ur- und Frühgeschichte.

Im Bereich Weinbau sind zu nennen:

Dornfeld's Weinbauschule. Neu bearbeitet von den Ausschußmitgliedern der Gesellschaft für Verbesserung des Weins in Württemberg, hg. von Oscar Fraas, Heilbronn 1876.

Drei Monate am Libanon, Stuttgart 1876.

Geologische Wandtafeln für den Anschauungs-Unterricht, mit Lithographien v. Jul. Joh. Haecker, Verlag Eugen Ulmer, Ravensburg 1872.

 

Quellen:

Berckhemer, Fritz: Oskar Fraas. Geologe und Vorgeschichtsforscher, Vorstand des Kgl. Naturalienkabinetts in Stuttgart, in: Schwäbische Lebensbilder (Bd. 1, 1940), S. 179–192.

Quenstedt, Werner: Fraas, Oscar von, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 308 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116678364.html#ndbcontent

Kurt Lampert: Nekrolog Oscar Fraas, in: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg (Bd. 54, 1898), S. XXIX–XXXIII.

Bericht über die Verhandlungen des VI. Deutschen Weinbau-Congresses in Heilbronn im September 1881, hg. von H.W. Dahlen, Karlsruhe 1882.

Schröder, Karl-Heinz: Weinbau und Siedlung in Württemberg, Remagen 1953 

175 Jahre Weinbauverband Württemberg e.V., Festschrift, hg. vom Weinbauverband Württemberg e.V., Weinsberg 1999.

Akten im Hauptstaatsarchiv Stuttgart

 

Autor:

Dr. Christine Krämer

 

Abbildungsnachweis:

Schwäbische Lebensbilder (Bd. 1, 1940), S. 193.

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