Ulrich, Fritz (1888–1969)

Fritz (Friedrich) Ulrich – Redakteur, Weingärtner, SPD-Politiker, Innenminister von Baden-Württemberg 

* 12.2.1888 in Schwaikheim;
† 7.10. 1969 in Stuttgart-Sillenbuch;
Vater: Carl Friedrich U., Eisenbahnarbeiter (1841–1922)
Mutter: Christine Friedericke geb. Ellwanger (1846–1929)
⚭ 1913 Berta Amalie geb. Winter, Schneiderin, Direktrice (1887–1976)
2 Kinder, Dorothea verh. Zintz (1918–2009) und Hermann (1923–1945 ⚔)

 

U. wuchs als neuntes von zehn Kindern einer Arbeiterfamilie in Schwaikheim bei Winnenden auf. Er absolvierte eine Schriftsetzer- und Druckerlehre und arbeitete nach Stationen in Stuttgart und Reutlingen ab 1912 als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Neckar-Echo in Heilbronn. In Reutlingen hatte er Berta, Tochter eines Weingärtners, kennengelernt, die er 1913 heiratete. 1907 war U. in die SPD eingetreten, 1919 zog er als Heilbronner SPD-Abgeordneter in die Verfassunggebende Landesversammlung Württemberg-Hohenzollern ein und wurde bei allen folgenden Landtagswahlen wiedergewählt. Von 1928 bis 1932 war er Vorsitzender der Landtagsfraktion, 1930 bis 1933 darüber hinaus Abgeordneter des Deutschen Reichstags. U. widersetzte sich massiv der erstarkenden NSDAP. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde U. mehrfach drangsaliert und verhaftet, er verlor seine Stelle als Redakteur und sein Mandat. Von April bis November 1933 saß er in Schutzhaft im KZ Heuberg.

Vorsorglich hatte seine Ehefrau, die mit einem kleinen Textilgeschäft ebenfalls zum Familienunterhalt beitrug, bereits 1932 einen Weinberg im Vorderen Ried am Heilbronner Wartberg erworben. Seiner beruflichen Grundlage beraubt, baute U. sich nach der Haftentlassung eine neue Existenz als Weingärtner und Besenwirt auf. Er pflanzte Reben, u.a. Riesling, und konnte „von Jahr zu Jahr steigende Weinmengen von guter Qualität erzeugen und absetzen“. Aushänge, mit denen er für den Ausschank in seiner Besenwirtschaft warb, unterschrieb er mit „Fritz Ulrich, früher Redakteur, jetzt Weingärtner“. Hier trafen sich seine Parteifreunde – darunter Carl Severing, Paul Löbe, Adam Remmele, Georg Schöpflin, Wilhelm Keil oder Erich Roßmann – bei einem Viertele Ulrichsteiner, wie seine Freunde das Gewächs liebevoll nannten, doch bereits 1938 wurde U. der Ausschank untersagt. Bis 1943 konnte er seinen selbst erzeugten Wein noch verkaufen. Die alten Verbündeten trafen sich nun in der Abgeschiedenheit seines Weinberghäuschens, bis U. 1944 erneut verhaftet und für vier Monate ins KZ Dachau verschleppt wurde.

Im November 1944 kehrte er als körperlich und seelisch schwer gezeichneter Mann zurück. Im Dezember 1944 versank Heilbronn im Feuersturm, auch das Haus der Familie U. wurde zerstört. Im Januar 1945 fiel sein gerade 22 Jahre alter Sohn Hermann an der Front. Als ihn die amerikanische Militärregierung 1945 für ein Amt in der neuen Landesverwaltung gewinnen wollte, zögerte der 1000jährige Wengerter, wie er sich selbst bezeichnete. Er sei während des Naziregimes politisch sauber geblieben. Das wolle er auch fernerhin so halten, schrieb er an die Militärregierung, er wolle „lieber ein namenloser und bescheidener Winzer bleiben, als Chef eines glanzvollen Amtes mit für mich unerträglichen Gewissenbelastungen zu werden“. Dennoch übernahm er kurze Zeit später das Amt des Landesdirektors und wurde Innenminister, zunächst von Württemberg-Baden, und nach der Bildung des Südweststaats 1952 von ganz Baden-Württemberg. Der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats, die kommunale Selbstverwaltung, die Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur, die Wohnraumbeschaffung und die Integration von mehr als 1,5 Millionen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen gehörten zu den großen Aufgaben in seiner Amtszeit. Das Amt des Innenministers bekleidete er bis 1956, Landtagsabgeordneter blieb er bis 1968. Der Mann mit Spitzbart und Zigarre verstand es stets, Auseinandersetzungen mit seinem allgegenwärtigen Humor zu entschärfen und erfreute in geselliger Runde seine Zuhörer mit Gôgenwitzen. Gern erzählte er die Anekdote vom Reutlinger Wein, der weithin für seine Säure bekannt war und von dem seine Frau ein Fass als Teil ihrer Aussteuer mit in die Ehe gebracht hatte: „Seit ich den probiert habe, weiß ich, woher das Wort Mitgift kommt.

Seit U. als Innenminister nach Stuttgart gezogen war, baute die Weinbauschule in Weinsberg seine Weine aus. Zur Weinlese war U. aber immer mit der Butte auf dem Rücken in seinem Weinberg in Heilbronn anzutreffen. Sein Wein hatte ihn finanziell über Hitlers 1000jähriges Reich gerettet. Nicht zuletzt deshalb blieb er dem Weinbau und den Weingärtnern in Württemberg zeitlebens tief verbunden. Als Redner auf Weinfesten trat er so vehement für die Weinkultur ein, dass er sich 1951 gar eine Beschwerde der Vertriebsfirma von Coca-Cola einhandelte, die sich, nachdem U. sich dazu hatte hinreißen lassen, von einer Coca-Cola-Seuche zu sprechen, entschieden dagegen verwahrte, „dass Sie in Ihrer amtlichen Eigenschaft zum Kampf gegen unser Erzeugnis aufrufen“.

 

Ehrungen:

Ehrenbürger der Stadt Heilbronn

Ehrenbürger der Gemeinde Schwaikheim

Verfassungsmedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg

Namenspatron der Fritz-Ulrich-Schule in Heilbronn, der Fritz-Ulrich-Halle in Schwaikheim, des Fritz-Ulrich-Weges in S-Möhringen, des Fritz-Ulrich-Weges in Schwaikheim und des Naturfreundehauses in Schwaikheim.

 

Quellen:

Ulrich, Fritz, Redakteur, MdL und MdR-SPD, Verfolgter des NS-Regimes, Innenminister von Württemberg-Baden und Baden-Württemberg, 1888–1969, in: BWB 3 (= Baden-Württembergische Biographien 3, Stuttgart 2002), S. 425–427 sowie LB 18 (= Lebensbilder aus Baden-Württemberg 18, Stuttgart 1994), S. 485–499.

Reinen Wein einschenken. Weinwelt im Wandel, Katalog zur Ausstellung vom 29. September 2006 bis 29. Juli 2007, hg. vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart 2006, S. 84/85.

Röder, Erhard (Hg.): Fritz Ulrich. Wengerter und Minister. Vom Benjamin zum Alterspräsidenten, Stuttgart 1968.

Christhard Schrenk: Fritz Ulrich. Zum 100. Geburtstag, in: Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte 32 (1992), S. 279–292.

Simon M. Haag: Der „tausendjährige“ Wengerter. Fritz Ulrich (1888-1969). In: Christhard Schrenk (Hg.): Heilbronner Köpfe II (Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 45), Heilbronn 1999, S. 173–190.

Landtag von Baden-Württemberg. Gedenkbuch Politisch verfolgte Abgeordnete von 1933 bis 1945, Online-Version: https://www.landtag-bw.de/contents/gedenkbuch/abgeordnete/VA_Ulrich%2C%20Fritz~243.html (ausgelesen am 21.10.2021).

Akten im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Nachlass Fritz Ulrich).

 

Autor:

Dr. Christine Krämer

 

Abbildungsnachweis:

Fritz Ulrich bei der Weinlese in seinem Weinberg in Heilbronn, https://stadtarchiv.heilbronn.de/stadtgeschichte/geschichte-a-z/u/ulrich-fritz.html

© Stadtarchiv Heilbronn