Schwarz, Ludwig (1875 – 1954)
Ludwig Schwarz musste nach dem frühen Tod des Vaters im kleinen elterlichen Weinbaubetrieb mitarbeiten. Er erlebte schmerzhaft den Niedergang des Weinbaus im Thurgau und die Aufgabe und den Verkauf des Familienbesitzes. S. nahm nach 9jährigem Schulbesuch an Winterfortbildungskursen teil, ehe er zwei Jahre lang unter dem prägenden Einfluss von Prof. Müller-Thurgau und Heinrich Schellenberg die Schweizerische Lehr- und Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Wädenswil besuchte.
Nach verschiedenen Berufstätigkeiten in der Schweiz und in Rheinhessen trat S. 1902 in den Dienst des Weinbau- und Landwirtschaftsbetriebs von Schloss Reinhartshausen in Erbach im Rheingau. Von 1908 bis 1944 leitete er als Administrator dieses renommierte Gut der Prinzen von Preußen mit über 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, davon etwa 40 ha Rebfläche. Bis zu seinem Ruhestand 1948 hatte er dann weiter die Oberaufsicht über den Weinbaubetrieb. Bis zu seinem Tod 1954 setzte er seine weinbaufachlichen Arbeiten fort. S. hielt während seiner vierzigjährigen Tätigkeit in Erbach den Betrieb auf dem neuesten Stand der Weinbau- und Kellertechnik und war auf hohe Weinqualität bedacht. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war die Selektion von Bestträger-Riesling-Klonen, die in der betriebseigenen Rebveredlung vermehrt wurden. Er sorgte für die Arrondierung weit verstreuter Flächen und damit Kostensenkungen bei gleichzeitiger Steigerung von Menge und Güte der erzeugten Weine. Für Generationen von Mitarbeitern war er ein geschätzter Ausbilder und Vorgesetzter. S. hinterließ ausführliche Aufzeichnungen zu seinen Erfahrungen. Ausgangspunkt war seine Erkenntnis, der Rheingau sei „gross in der Behandlung des Weines“, könne aber „in der Behandlung der Reben vom Winzer des Genfersees lernen“. Er betrachtete nicht den Weinberg insgesamt, sondern die einzelnen Reben als Träger von Ertrag und Qualität. Er erhöhte den seiner Meinung nach zu geringen Pflanzabstand und beendete die zu sehr bodennahe Erziehung. Darin wurde er von seinem Lehrer Müller-Thurgau, der ja bis 1890 vierzehn Jahre die Pflanzenphysiologie in Geisenheim geleitet hatte, bestärkt. Er erfasste systematisch die Anzahl der Trauben pro Trieb und deren Qualität an einzelnen Rebstöcken und leitete daraus sowohl negative als auch positive Selektionsmaßnahmen zur Gewinnung von Edelreißern für die Pfropfrebenherstellung ab. Dabei sollten Menge und Güte der erzeugten Weine in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. S. pflegte lebhaften Austausch mit Kollegen und mit den Wissenschaftlern der heutigen Hochschule Geisenheim.
Der Würdigung von Walter Hell ist zuzustimmen: „Ludwig Schwarz, der sich aus einfachen Verhältnissen durch Wissen und Fleiß zum Administrator des bedeutenden Gutes der Prinzen von Preußen empor gearbeitet hatte, fand für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Fachwelt Beachtung. Dafür sorgte allein sein permanenter Austausch mit den Fachleuten in den Lehr- und Versuchsanstalten von Wädenswil und Geisenheim und anderen Persönlichkeiten der Rheingauer Weingeschichte. Dabei war er keineswegs in erster Linie ein Theoretiker. Man könnte ihn am besten als praktizierenden Wissenschaftler, oder besser noch als wissenschaftlichen Praktiker bezeichnen“.
Quellen:
Persönliche Mitteilungen der Söhne Martin und Ulrich Schwarz und aus dem Nachlass transkribierte Arbeiten von S.
Walter Hell: Ludwig Schwarz (1875-1954) – ein Pionier des Rheingauer Weinbaus Rheingau Forum 01/2018, S. 25-29
Autor:
Prof. Dr. Leo Gros, Geisenheim – Johannisberg
Abbildung:
Foto von Ludwig Schwarz aus den 30er Jahren des 20. Jh., überlassen von Ulrich Schwarz