Porträt Dr. Hermann Kolesch

Wir stellen vor: Dr. Hermann Kolesch

Dr. Hermann Kolesch zählt zu den erfahrensten und bekanntesten deutschen Weinfachleuten. Ein hochangesehener Weinfachmann und Marketingexperte, ein begnadeter Redner, der die Zuhörer auf vielen Weinbautagungen begeisterte. Wir haben ihn über seinen beruflichen Werdegang und seine Erwartungen als Ideengeber und Organisator unserer bevorstehenden Herbsttagung befragt.

Rudolf Nickenig: Hermann, irgendwie ist das total merkwürdig für mich, mit dir ein Interview zu führen, und dabei so zu tun, als würde ich dich kaum kennen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn wir haben in unserem Berufsleben viele Jahre hervorragend zusammengearbeitet, das soll den Lesern offengelegt werden. So, jetzt aber zu den Fragen, wat mutt dat mutt. Schließlich kennen dich viele der Mitglieder der Gesellschaft für Geschichte des Weines leider noch nicht so gut. Du hast für deine Antwort so viele digitale Zeichen der Welt, wie du willst, um dich vorzustellen und den beruflichen Weg zu schildern, der dich an die Spitze der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim geführt hat.

Hermann Kolesch: Das geht auch kurz und knackig, Rudolf – Fränkischer Winzerbub macht klassische Bayerische Beamtenlaufban in der Landwirtschaftsverwaltung….

Rudolf Nickenig: Vielleicht doch etwas ausführlicher? 

Hermann Kolesch: Nun denn: Geboren 1954 im fränkischen Iphofen als Sohn eines Winzers mit Weinausbau und Direktvermarktung. Nach der schulischen Ausbildung am Röntgen- Gymnasium in Würzburg, Studium der Agrarwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Während des Studiums diverse Praktika, Abschluss der Ausbildung zum Winzer. Nach dem Studium Forschungsauftrag der Deutschen Forschungsgesellschaft im Rahmen einer Promotion an der Uni Gießen in Verbindung mit der Hochschule Geisenheim. 1985 Eintritt in den Bayerischen Staatsdienst. Nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes die übliche Tour durch Bayern an verschiedenen Landwirtschaftsämtern. 1990 endlich zurück in den Weinbau: Leitung des Sachgebiets Weinbau an der Regierung von Unterfranken (Vollzug des Weinrechts, Qualitätsweinprüfung). Ab 1996 in der Weinbauberatung mit den Schwerpunkten Betriebsberatung (Unternehmensstrategie, Marketing, Bauberatung, Produkt- und Sortimentsgestaltung), Qualifizierung und Strukturentwicklung im Weinbau. 2005 erfolgte im Zuge der Verwaltungsreform Eingliederung der Weinbauberatung in die Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG). Lehrtätigkeit an der Technikerschule für Weinbau und Kellerwirtschaft im Bereich des Marketings, der Unternehmensführung und im Fach Internationale Weinwirtschaft. Ab 2010 Leitung der neu strukturierten Abteilung Weinbau an der LWG. Ab 2014 Präsident der LWG mit den Forschungs- und Bildungseinrichtungen Weinbau, Gartenbau, Landespflege, Bienen, Analytik und der Staatlichen Meister- und Technikerschule für Gartenbau, Gartenlandschaftsbau und Weinbau.

Rudolf Nickenig: Ein toller Werdegang. Riecht aber auch nach viel Arbeit. Was macht ein Unruhegeist wie Du, wenn er in den sogenannten Ruhestand geht?

Hermann Kolesch: Ja, ab 2020 – zum Beginn der Pandemie und dann noch Ruhestand – ein riesiger Schock, du kommst aus dem Urlaub, dein Terminkalender ist leer und keiner ruft an!

Die Schule und die Unterrichtserteilung war und ist dann die Rettung und ein großes Glück. Man bleibt fachlich fit, die jungen Menschen motivieren und wir probieren gemeinsam die großen Weine der Welt…

Und wie es dann so geht, kommen doch die Anfragen zur weiteren Zusammenarbeit. Sogar vom Landwirtschaftsministerium – hier bin ich beratend für die Premiumstrategie für Lebensmittel aus Bayern tätig; der Fränkische Weinbauverband hat mich als Sonderbeauftragten für das Konsortium Bewässerung und Biodiversität berufen. Somit bin ich jetzt auch klassischer Lobbyist geworden! Und neben der ehrenamtlichen Tätigkeit für die Gesellschaft für Geschichte des Weines (GGW), darf ich auch dem Hochschulrat der Hochschule Geisenheim University (HGU) vorstehen – super Sache, junge Menschen und immer am Puls der Forschung und Lehre! Und natürlich mache ich auch noch ein wenig Beratung und halte Vorträge…

Rudolf Nickenig: Hier wäre jetzt eine geeignete Gelegenheit, dass du irgendetwas Nettes über die Tätigkeiten der Gesellschaft für Geschichte des Weines sagst. Zum Beispiel, dass der hervorragende Ruf der Gesellschaft dich geradezu angesaugt hat, im Beirat aktiv mitzuwirken. 

Hermann Kolesch: Jetzt mal ehrlich, Rudolf, du hast mich ja damit mehr oder weniger überrumpelt! Aber Spaß beiseite! Natürlich habe ich auch mal vor, mich geschichtlich zu betätigen. Es gäbe ja so viel aus den letzten 50, 60 Jahren aufzuschreiben. Gerade so ab der Säkularisation über den Niedergang des Weinbaus, die Reblauskrise, den Wiederaufbau und, und, und. Die Geschichte des Frankenweins ist noch nicht richtig auf- und zu Ende geschrieben.

Das ist das Eine, das Andere: ich denke, dass wir uns der Herausforderung stellen müssen Geschichte, Weingeschichte und Weinkultur neu zu erzählen – Stichwort Storytelling! Denn ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Kenntnis über geschichtliche Hintergründe erst den Menschen in die Lage versetzt, seine Gegenwart zu verstehen und seine Zukunft zu gestalten. Dafür sollten wir uns einsetzen, dies mit Resonanz und Erlebnis für unsere Zuhörer und Leser zu verbinden…

Rudolf Nickenig: Kommen wir auf die Herbsttagung der Gesellschaft zu sprechen, die ja von Dir maßgeblich entworfen wurde und organisiert wird. Wen willst du bei der Herbsttagung in Würzburg als Teilnehmer sehen?

Hermann Kolesch: Zunächst natürlich wirklich den harten Kern, die Fahnen- und Leistungsträger der GGW – ich kenne da selbst noch viel zu wenige Persönlichkeiten und bin gespannt, sie näher kennenzulernen. Dann aber sollten wir uns öffnen für alle Akteure, die sich mit Wein in irgendeiner Form beschäftigen, die Weinbruderschaften, Vinissima, die Gästeführer, die Schulen, Funktionäre und Administration, wie auch den ganz normalen Weingenießer und Weinfreund. Wein ist auch für die Regionen und ihre Menschen immer schon sinn- und identitätsstiftend gewesen. Und die Menschen freuen sich doch, wenn sie ihren Freunden, Gästen, Besuchern die spannenden Weingeschichten erzählen können. Das unterscheidet uns doch von so vielen andern Lebens- und Genussmitteln! 

Rudolf Nickenig: Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann willst du insbesondere diejenigen als Teilnehmer begrüßen, die – in welcher Funktion auch immer – als Botschafter der fränkischen und deutschen Weinkultur unterwegs sind. Richtig verstanden? Welcher Personenkreis ist also deine Zielgruppe?

Hermann Kolesch: Absolut richtig – und wenn ich deine Frage konkret beantworten darf: Ich würde mich sehr freuen, wenn von den über 350 Gästeführern Weinerlebnis Franken sehr, sehr viele zu unserer Veranstaltung kommen würden. Natürlich auch eingeschlossen die Weinkulturbotschafter der anderen Weinregionen.

Rudolf Nickenig: Was ist Wahrheit? fragte einst Pilatus. Was ist Kultur, was ist unser heutiges Verständnis von Kultur, frage ich mich. Um die Latte etwas niedriger zu legen: was ist in unserem heutigen Verständnis Weinkultur, frage ich dich!

Hermann Kolesch: Weinkultur ist die höchste Form der Genusskultur – der Wein ist Medium und Katalysator zur Geschichte, zu Landschaften und zu den Menschen. Ob Kulinarik, Kunst und Literatur, über welches andere Genussmittel erschließt sich so viel Lebensqualität?

Rudolf Nickenig: Wie passen Historiker, Kulturwissenschaftler und Weinbaufachleute zusammen? Wie müssen die Spielregeln einer interdisziplinären Zusammenarbeit aussehen?

Hermann Kolesch: Ganz einfach: Klartext reden und open minded bleiben, Neues wagen, aber immer respektvoll…

Rudolf Nickenig: Kultur kann abstrakt, aber auch zum Anfassen sein. Erinnerungskultur ist ein Thema, das eng mit der Weingeschichtskultur verbunden ist. Sie wird im aktuellen Diskurs sehr stark, vielleicht sogar wegen der Missachtung der Generation vor uns, zu stark auf das Thema Wein in der NS-Zeit fokussiert. Aber sie ist ein wichtiges Thema der Herbsttagung. Mit welchen Perspektiven?

Hermann Kolesch: Ich denke, dass angesichts der brisanten wie gefährlichen Zeiten, in denen wir uns aktuell befinden, wir, die Weinfachleute in der GGW, nicht nur den überregionalen Kontext thematisieren sollten, sondern uns immer darum bemühen sollten, den regionalen Bezug herzustellen. Denn dieser regionale Bezug kann vergegenwärtigt und vor Ort ja noch erlebt werden. Damit könnte, das ist meine ganz persönliche Erwartung, ein engerer Bezug, ja auch mehr Betroffenheit, aber auch Wissen über das Woher und Warum hergestellt werden.

Rudolf Nickenig: Kommen wir nochmals auf die Metapher Weinkultur zum Anfassen zurück. Der Boden hinterlässt im Weingeschmack seine Spuren. Ist terroir-f, das sich im Programm der Herbsttagung findet, ein gutes Beispiel für anfassbare, schmeckbare Weinkultur?

Hermann Kolesch: Das werde ich dir und den Teilnehmern der Herbsttagung gerne ganz persönlich vor Ort beweisen, lieber Rudolf!

Rudolf Nickenig: Irgendwie müssen wir die Kurve kriegen, um das kurze Vorstellungsgespräch zu beenden. Was verpasst ein Mitglied der GGW (und jede/r Weinfreund/in), der/die sich nicht zur Herbsttagung anmeldet?

Hermann Kolesch: Drei hoch informative wie schöne und genussreiche Tage! 

Rudolf Nickenig: Die Leserinnen und Leser werden sich diesen Avancen nicht entziehen können! Wir verweisen auf das Programm in dieser Mitteilung – und auf das Anmeldeformular!

 

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Privat
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