Wir stellen vor: Andreas Wagner

Dr. Andreas Wagner ist Winzer und Historiker. Nach seinem Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Bohemistik, das er in Leipzig und an der Karlsuniversität in Prag absolvierte, zog es ihn auf das elterliche Weingut in Essenheim zurück.

Zusammen mit seinen beiden Brüdern leitet er das Familienweingut in der Nähe von Mainz. Zum Krimi ist Andreas Wagner über reichlich Umwege gekommen. Erste wissenschaftliche Veröffentlichungen beschäftigten sich mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts oder der Weinbaugeschichte. Doch dann kam eine erste Winzer-Krimireihe: Herbstblut (2009), Abgefüllt (2008), Gebrannt (2009), Letzter Abstich (2010), Hochzeitswein (2011), Schlachtfest (2012), Vatertag (2014) und Stauhitze (2016). Es folgte eine zweite Serie: Winzersterben (2015), Winzer­rache (2017), Winzerwahn (2018) und Winzerschuld (2020). In den neuen Krimis bietet noch immer die rheinhessische Heimat den Schauplatz, aber nicht unbedingt die Weinbranche. 

Rudolf Nickenig: Das Weingut in Essenheim (Rheinhessen), das Sie heute mit Ihren Brüdern bewirtschaften, weist eine über 300-jährige Tradition aus. Erklärt das, dass Sie als Winzersohn Geschichte studiert hatten – oder war es einfach eine Supernote in Geschichte Leistungsfach?

Andreas Wagner: Mein Interesse für Geschichte ist wirklich durch die Schule geweckt worden. Ich hatte fast durch die gesamte Schulzeit hindurch tolle Lehrerinnen und Lehrer.

Rudolf Nickenig: Wenn ein Rheinhesse als Studienort nicht Mainz, sondern Leipzig und Prag auswählt, dann ist das ja fast ein Affront! War das Fernweh größer als die Heimatliebe?

Andreas Wagner: Es war eindeutig Fernweh. Ich wollte weit weg von daheim und ich wollte – kurz nach der Wende – unbedingt an eine der großen ostdeutschen Universitäten.

Rudolf Nickenig: Aber die Idee, sich mit Bohemistik zu befassen und nach Prag zu gehen, das müssen Sie uns doch noch erklären!

Andreas Wagner: Ganz einfach: ich wollte unbedingt ein Semester in Prag studieren. Ohne Sprachkenntnisse erschien mir das unmöglich.

Rudolf Nickenig: Ihre Studien schlossen Sie mit einer Dissertation über die „Machtergreifung“ in Sachsen ab. Woher kam dieses Interesse?

Andreas Wagner: Das Interesse an der NS-Zeit bestand schon seit der Schule. Es hat mich durch die gesamte Studienzeit begleitet. Auch mein Doktorvater hatte in diesem Bereich einen Schwerpunkt. Das hat gepasst.

Rudolf Nickenig: Ihre Kompetenz im Thema „Wein und-NS“-Zeit hat unsere Zusammenarbeit im letzten Jahr vielleicht nicht geprägt, aber war ein wichtiger Bestandteil unserer Gespräche. Denn Sie haben uns bei der Vorbereitung der Herbsttagung in Nierstein mit sehr vielen Hinweisen und Ihrem Netzwerk zu potentiellen Referenten sehr geholfen. Außerdem nahmen Sie an der Podiumsdiskussion „Wein in der NS-Zeit“ selbst teil. Doch da will ich gar nicht hin. Denn ich muss Sie natürlich noch danach fragen, warum nach diesem erfolgreichen Geschichtsstudium mit Promotion keine wissenschaftliche Karriere an der Uni Leipzig oder anderswo folgte, sondern die Heimkehr ins elterliche Weingut, sofern das mit wenigen Worten erklärbar ist? Oder hatte der Grund fünf Buchstaben und fing mit L an?

Andreas Wagner: Der Entschluss ist schon während des Studiums gereift. Mein Bruder studierte zu der Zeit in Geisenheim und wir waren uns schnell einig, die Betriebsnachfolge zusammen anzugehen.

Rudolf Nickenig: Da hatte ich natürlich auf eine romantische Antwort gehofft. Na ja, schließlich sind Sie Krimiautor. Apropos. Alle Krimifans begrüßen natürlich Ihre Rückkehr aus dem Osten nach Rheinhessen, ansonsten gäbe es Ihre Winzerkrimis nicht! Es sind mindestens zwölf an der Zahl, wenn ich richtig gezählt habe. Das ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, dass ich meine Ermittlungsmethode wechsle und Sie bitte, meine Satzanfänge kurz abzuschließen. Die Fans meiner Winzerkrimis dürfen hoffen, dass es ….

Andreas Wagner: … dass es im nächsten Winter möglichst kalt und dunkel wird, damit ich in die richtige Stimmung für einen neuen Krimi komme. 

Rudolf Nickenig: Als Weinbegleitung zu meinem neuen Roman „Der Rhein trägt Trauer“ empfehle ich …

Andreas Wagner: … einen leichten Silvaner aus dem Selztal. (Anm: Der Krimiautor übersieht mein Fragezeichen auf der Stirn. Warum Selztal?)

Rudolf Nickenig: Zu meinen Favoriten der älteren Weinliteratur gehören …

Andreas Wagner: … gehört der Bassermann.

Rudolf Nickenig: Bisher habe ich noch keinen historischen Weinroman geschrieben, weil ich …

Andreas Wagner: … weil ich gerne im „Jetzt“ literarisch unterwegs bin. Ich baue aber gerne historische Rückblenden ein.

Rudolf Nickenig: Sie sind erwiesenermaßen – wie ich vor und während der Herbsttagung erfahren durfte – ein Fachmann der NS-Zeit. Könnten Sie sich vorstellen, über den Weinbau oder Winzer in der NS-Zeit einen historischen Roman zu schreiben? 

Andreas Wagner: An einen historischen Roman traue ich mich bisher nicht ran. Historischen Themen bleibe ich dann eher mit wissenschaftlichen Texten treu.

Rudolf Nickenig: Zum Schluss eine ganz einfache Frage: Wie kann es der Gesellschaft für Geschichte des Weines gelingen, mehr Winzer – auch ohne Geschichtsstudium – als Mitglieder zu gewinnen?

Andreas Wagner: Ich glaube, wir müssen offensiver in die Öffentlichkeit treten. Vielleicht können wir uns mal in den Weinbauzeitschriften vorstellen. Denkbar wäre auch eine kleine historische Serie in Zusammenarbeit mit einer Fachzeitschrift.

Bildnachweise:
Portrait Andreas Wagner: Christian Wagner
Cover „Der Rhein trägt Trauer“: emons-Verlag
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